Sofern man auf gute Originaltreue eines Samplesounds Wert legt, darf man ihn höchstens im Bereich etwa einer Quarte transponieren. So lange tritt die durch das zu schnelle bzw. zu langsame Abspielen des SampIes (verglichen mit der Aufnahmegeschwindigkeit) entstehende Verschiebung der Obertonreihe noch nicht so stark ins Gewicht. Aber spätestens nach einer Oktave wird das Klavier zu einem eigenartigen Etwas, das zwar auch ganz witzig klingt, aber mit dem richtigen Klavierklang nicht mehr viel gemein hat. Was tun?
Mehr Möglichkeiten durch Multisampling
Hier bedient man sich des sogenannten Multisamplings. Was das ist? Man. spricht dann von Multisampling, wenn der Originalklang, über den erforderlichen Spielbereich verteilt, mehrmals aufgenommen wird. Jedem dieser MultisampIes wird dann sein. eigener Klaviaturbereich zugeordnet, und nur in diesem Bereich muss er für die Wiedergabe transponiert werden; Erinnern wir uns an das Original-Mellotron aus den 60er Jahren! Dieses Instrument war in dieser Hinsicht ein ziemlich perfekter MultisampIer. Das Mellotron besaß hinter jeder Taste eine Originalaufnahme des entsprechenden Instrumentenklanges. Hier gab es nichts zu transponieren. Alle Töne des »SampIes“ waren im Originalton und in der Originaltonhöhe anwesend. Dies ist die höchste Form des Multisamplings. Um einen hinreichend gut klingenden KlaviersampIe zu erhalten, wäre es zwar schön, ist jedoch nicht unbedingt nötig, jeden Ton einzeln zu samplen. Es reicht, wenn er etwa drei bis vier mal je Oktave Spielbereich aufgenommen wird. Immerhin, auch dies ist noch ein Aufwand, den man nicht unterschätzen sollte.
Prinzipiell entspricht ein MultisampIer einem Keyboard mit Mehrfachsplit, mit dem Unterschied, dass die Sounds der einzelnen. Splitbereiche nicht. möglichst Unterschiedlich, sondern möglichst identisch klingensollen.
Die momentan am Markt erhältlichen SampIer unterscheiden sich in puncto Multisampling ziemlich. Billige Sampler, wie etwa die Sampling-Zusätze zum Commodore 64, das Casio SK-1 oder der Akai S612,verfügen über kein. Multisampling. Mittelklasse-Sampler bieten normalerweise vier bis 32 faches Multisampling. Beispiele hierfür sind der Prophet 2000 mit 8 fachem, der Ensoniq Mirage sowie das Greengate DS4 System .mit 16 fachem .und der Akai S900 mit 32 fachem Multisampling. In höheren Preisklassen findet man den Emulator II mit 88fachem, Kurzweilmit 87fachemund den .Fairlight mit 128fachem Multisampling. Warum teurere SampIer leichter mehrfaches Multisampling bieten können, ist klar. Sie verfügen über mehr Speicher-Platz! Für die Aufnahme eines Klaviersounds wird bei achtfachem Multisampling mit gleicher Bandbreite und Samplelänge ja acht mal soviel Speicher benötigt, wie ohne Multisampling.
Ein perfektes Multisample selbst herzustellen, erfordert nicht nur sehr viel Zeit, sondern auch gute Editiermöglichkeiten des SampIers. Auf der Klaviatur benachbarte Multisample-Bereiche müssen ja möglichst unmerkbar ineinander übergehen. Die einzelnen MultisampIes müssen hierzu auf jeden Fall gleiche Wiedergabelautstärke besitzen. Selbst wenn man dies geschafft hat, hört man jedoch immer noch einen »Klangsprung“ beim Wechseln von einem Multisample in den nächsten. Klar, die beiden aufgenommenen, im Quartabstand liegenden Original-;Klaviertöne unterscheiden sich eben leicht im Klang.
Überblendende Samples
Dieses Problem meistern mit der sogenannten Positional Crossfade-Funktion (z.b. Akai S900) ausgerüstete SampIer. Bei eingeschaltetem Positional Crossfade können sie benachbarte MultisampIes ineinander überblenden. Der Übergang findet damit nicht mehr schlagartig, sondern sehr weich statt. Eine weitere Finesse ist der sogenannte Velocity Switch oder Velocity Crossfade. Bekanntlich klingt ja ein Klavier bei festem Anschlag ganz anders, als bei weichem. Nicht nur lauter, sondern auch eben klanglich ganz anders. Dieses Verhalten lässt sich mit diesen beiden Features in beschränktem Maße simulieren. Man nimmt hierzu zwei SampIes je Multisample-Bereich auf. Einer mit dem laut angeschlagenen Ton. Am SampIer lässt sich dann ein Dynamikwert einstellen, ab dem der „leise“ SampIe in den „lauten“ geschaltet wird (Velocity Switching). Velocity Switching schaltet die beiden SampIes abrupt, Velocity Crossfade fadet die beiden SampIes kontinuierlich ineinander über. Mit zunehmender Anschlagsdynamik verschwindet der Soft-Sample immer mehr, und der Loud-Sample tritt in den Vordergrund. Doch auch Multisampling macht noch keinen perfekten SampIer.
Die Problematik ist noch nicht ausgestanden. Zumindest für diejenigen, die den SampIer nicht nur zum Samplen von Drums und Percussion einsetzen, sondern ihm später beliebig lange Sounds entlocken wollen. Normalerweise bestimmen Sampling-Rate, Wiedergabetonhöhe und der maximal zur Verfügung stehende Speicherplatz die Wiedergabedauer eines SampIes. Der SampIer wird getriggert – Speicherplatz .für Speicherplatz wird ausgelesen, die digitalen Werte in analoge gewandelt und ausgegeben. Ist die Speicherzelle mit der höchsten Adresse ausgelesen, bricht der Sound ab. Finito! Für Drums genügt dies normalerweise. Drum-Sounds sind, ausgenommen die Becken, sehr kurz. Sie dauern um die 300 msec. Mit Samplern Percussion zu verwirklichen, ist deshalb nicht besonders schwierig. .Hierfür bietet der mikrigste SampIer genügend Speicherplatz, und kann man ihn teilen, lassen sich meist auch mehrere Sounds gleichzeitig im Speicher unterbringen.
Lange Samples
Viel komplexer liegen die Verhältnisse für Keyboarder. Keyboardsounds sollen möglichst so lange klingen, wie eine Taste gedrückt ist. Man könnte nun selbstverständlich SampIer mit riesigen Speicherplätzen ausrüsten, und jeden Sound von vornherein mehrere Minuten lang aufnehmen. Doch solche SampIer würden sehr teuer werden. Speicherplatz kostet Geld und ist in etwa direkt mitbestimmend für den Preis eines Samplers. Bei Computern gilt dies ebenso. Man könnte schon fast von einem Kilopreis für Bytes sprechen.
So lange Sounds aufzunehmen, wäre also nicht nur teuer, sondern eigentlich auch Verschwendung, denn wie oft werden schon so lange Sounds gespielt? Findige Ingenieure haben nun einen Trick gefunden, mit dem sich dieses Problem lösen lässt, zumindest in Form eines Kompromisses. Das heißt, man spart Speicherplatz auf Kosten der Klangtreue. Sicher: weiß mittlerweile jeder, worum es sich handelt: die Loop-Technik! Loop kann man direkt mit Schleife übersetzen, und dies sagt auch so ziemlich genau, worum es sich handelt. Am besten, man stellt sich die einzelnen Speicherzellen des Arbeitsspeichers, in denen die Amplitudenwerte des SampIes aufgeschrieben sind, als langes Band vor. Normalerweise fährt der SampIer dieses Band einfach entlang und liest die Speicherzellen der Reihe nach aus.
Nun stelle man sich vor, man würde dieses „Speicherzellenband“ in Form einer Schleife legen und mit einer Weiche versehen. Der Sample läuft nun wieder seine SpeicherzeIlen der. Reihe nach auf dem Band ab, gelangt in die Loop-Kurve, rast auf die Weiche zu. Und nun hängt es davon ab, ob die Weiche auf Normal oder Loop steht. Steht sie auf Normal, ist alles wie gewohnt, der SampIer läuft die Reststrecke durch. Steht die Weiche aber auf Loop, beginnt der SampIer so lange in dieser Avus zu rotieren, bis die Weiche auf Ausgang gestellt wird. Die Weiche stellen wir normalerweise mit dem Keyboard. Sie befindet sich solange in Stellung Loop, wie eine Taste gedrückt ist. Lässt man sie los, springt sie auf Ausgang, der SampIe rast dem Bandende zu.
Die Lage der Weiche auf dem Band kann man normalerweise frei bestimmen. Sie wird bei Samplern durch zwei Punke festgelegt, Loop Start und Loop End Point. Dies sind zwei Speicherplatzadressen, die man, je nach Samplertyp, auf verschiedene Weise eingeben kann. Prinzipiell lässt sich ein Loop mit einer Bandschleife vergleichen, die zyklisch abgespielt wird. Mit dem einzigen Unterschied, dass die Schleife im SampIer nicht mit Band und Kleber, sondern elektronisch geschnitten wird. Der SampIer springt dabei jedes Mal, wenn er am Loop End Point angelangt ist, unhörbar schnell direkt zum Loop Start Point zurück und fährt dasselbe Stück nochmals durch. Wir haben erreicht, was wir wollten. Der SampIe klingt künstlich länger. Beliebig lange! Eben so lange man auf die Taste drückt. Man sucht nun geeignete Start- und Endpunkte. Der Sound soll sich vor dem Eintritt in den Loop möglichst komplett aufgebaut haben, dann In den Loop eintreten und im Bereich nach dem Endpunkt verklingen. Würde man dies mit dem Moogschen Hüllkurvenbild vergleichen, soll der Sound vor dem Start Point Attack und Decay durchlaufen, im Loop den Sustain, und nach dem Loop das Decay. Dies hört sich nun alles wunderbar an, ist aber wieder mit riesigen Problemen verbunden.
Die komplexen, dynamischen Abläufe im Obertongemisch der natürlichen Klänge machen uns einfach einen Strich durch die Rechnung. Jeder kennt das von normalen Bandschleifen. Der Erfolg stellt sich nur ein, wenn der Sound an den beiden zusammengeklebten Schnittstellen, also am Start und End Point, fast. identisch ist, nicht nur in der Lautstärke, sondern auch im Klang, das heißt in der Zusammensetzung der harmonischen Oberschwingungen und der Phasenlage. Wer innerhalb eines Klanges zwei solche. Stellen findet, darf sich glücklich schätzen.
Looping eine Kunst
Tatsächlich gehört das Suchen und Finden möglichst geeigneter Loop Points mit zum Schwierigsten in der gesamten Samplingtechnik. Sind die beiden Loop Points nicht identisch, reichen die Effekte vom Rattern bei sehr eng liegenden Points bis zum sequenzerartigen Effekt bei weit auseinander liegenden. Man sollte sich hier keinen Illusionen hingeben. Gute SampIe Points zu finden, die den Eindruck vermitteln, der Klang würde tatsächlich länger gespielt, ist eine äußerst zeitraubende Angelegenheit. Und bei vielen Sounds ist es sogar ganz unmöglich.
Man hört in letzterer Zeit oft den Spruch: da verkaufe ich alle meine Keyboards, kaufe mir dafür einen guten SampIer und nehme die Keyboardsounds damit auf. Tatsächlich ist das praktisch unmöglich, zumindest sehr schwer. Man versuche ruhig einmal, einen Streicher-Sound aus einem x-beliebigen Keyboard zu sampeln und dann gute Loop Points zu finden. Es ist nicht einfach. .
Kein Wunder, dass man schon früh versucht hat, mit verschiedensten Methoden die Suche nach den Loop Points zu vereinfachen. Gute Sampler verfügen deshalb über Software-Routinen, die diese Suche vereinfachen oder total übernehmen. Dabei durchsuchen sie den SampIe normalerweise computergesteuert nach Schwingungsnullpunkten, also den Stellen der Phasenauslöschung. Solche Stellen lassen sich am problemlosesten verknüpfen.
Für Ensoniq und Prophet 2000, in absehbarer Zeit auch für den S900, gibt es Software, die die Darstellung der Schwingungskurven des SampIes am Bildschirm erlaubt. Man kann dann die Schwingungskurve optisch nach geeigneten Loop Points absuchen. Interessant ist hier das Verfahren des Greengate .DS4 SampIers, der mit dem AppIe IIe arbeitet. Er bringt im Loop Find- Modus drei Graphiken auf den Schirm, die zwei Schwingungskurven für den engeren Bereich des jeweils anvisierten Start- und Endpunktes und in der Mitte zwischen diesen beiden, eine Graphik mit den zugehörigen Phasenlagen. Der S900 bietet einen halbautomatischen Loop Find-Modus. Er sucht die Loop Points und führt das Ergebnis vor. Ist man mit dem klanglichen Ergebnis nicht zufrieden, sucht er weiter, bis man einverstanden ist, oder aufgibt.
Prinzipiell sollte man sich nicht entmutigen lassen, wenn ein SampIe nicht auf Anhieb gelingt. Es ist sehr einfach, irgendwelche Gags zu samplen. Das Ganze wird aber sehr schnell zur Wissenschaft, wenn es darum geht, möglichst originalgetreue SampIes zu erhalten, womöglich mit vielfachem Multisampling und Velocity Switch Treshold, sowie guten Loop Points. Nicht umsonst gibt es in den U.S.A. bereits so etwas wie einen eigenen Berufsstand der SampIe- Sound-Designer, die Tag ein, Tag aus versuchen, möglichst naturgetreue SampIes herzustellen.
Man darf auch einen Grundsatz nicht vergessen, der für den SampIer immer gilt: Garbage in – Garbage out oder zu gut Deutsch: Mist rein – Mist raus, oder: So wie man in den Wald reinschreit, hallt es zurück. Mit anderen Worten: Für die Aufnahme guter SampIes ist eigentlich sehr gutes Studio-Equipment nötig!
Eine Geige mit schlechtem Mikrofon im Übungsraum auf. genommen, wird kaum je einen guten Geigen-Sample ergeben. Da helfen dann auch die besten Editiermöglichkeiten nichts. Da sind ein akustisch ausgebauter Aufnahmeraum, ein gutes Mikrofon und möglichst der passende Hall oder sonstige Effekt nötig. Gerade in der Aufnahme des bereits verhallten SampIes liegt ein besonders interessantes Anwendungsgebiet dieser Technik. Man spart auf diese Weise Effekte beim Abmischen. Der Hall ist dann eben schon im SampIe integriert, dann allerdings auch nicht mehr herauszubekommen.
Auf jeden Fall gilt für das Sampling mehr denn je der Grundsatz: Übung macht den Meister!
Richard Aicher im August 1986 für Soundcheck