Akai S-612 Sampler

Der Ensoniq Mirage war 1985 der erste Massensampler mit Multisamplingmöglichkeiten für unter 6000 DM. Der S612 von Akai war der erste einigermaßen erschwingliche Sampler in 19-Zoll-Gehäuseausführung und wurde aufgrund dessen auch „Volkssampler“ genannt. Er war der erste in Japan hergestellte Sampler überhaupt

Akai S-612

review von richard aicher. veröffentlicht in Sound Check im Juli 1985

Für Akai durfte ich in dieser Zeit mit auf die Händler-Touren. Was Sampling ist wussten damals ja auch nicht viele und Akai wollte die S-612 an den Mann bzw. an die Läden bringen. U.a. habe ich für diesen Sampler auch das deutsche Manual geschrieben.

Endlich ist er da. Die Gerüchteküche hat genug gebrodelt. Ab sofort quakt der Frosch absolut life durch sämtliche Oktayen, donnert der Jet von der Bühne und klingt das Cello so, wie’s eben klingt. Beinahe zumindest. Der Akai-Sampler S-612 macht’s möglich. Die einzige Voraussetzung: Ein Midikeyboard. Gute Original-sounds und etwas Ideen.

Was ist Sound-Sampling

Mittlerweile sollte selbst jedem klar sein, was Sound-Sampling eigentlich ist. Viel konnte man in letzter Zeit darüber lesen und hören. Sound-Sampling nennt man die Speicherung von Klängen in integrierten Schaltkreisen, den sogenannten Chips. Was soll denn das? Warum speichert man sie nicht einfach auf Tape? Die Antwort ist simpel. Digital gespeicherte Klänge lassen sich sofort und beliebig oft hintereinander abrufen, elektronisch weiterverarbeiten und in beliebige Lagen transponieren.

Es gab jedoch tatsachlich einen sehr bekannten Vorläufer des Sound-Samplings, das tatsachlich mit normalen Tapes arbeite-te. Das zwar viel berüchtigte, aber genauso oft verdammte Mellotron, später Novatron. Hinter jeder Taste des Keyboards befand sich hier eine Bandschleife. Darauf war der Ton gespeichert, der beim Anschlag der Taste klingen sollte. Dieses Prinzip hatte einen Vorteil: Man konnte tatsachlich jeden Ton eines Klaviers getrennt aufnehmen. Die Sounds klangen also über den gesamten Spielbereich original. Mit unseren „Digital-Mellotrons“ ist dies noch nicht möglich. Zumindest nicht im Low-Cost-Bereich. Digitaler Speicherplatz ist nämlich immer noch sehr teuer. Wollte man tatsächlich jeden Ton eines Klaviers einzeln abspeichern, brauchte man riesige Speicherkapazität. Der Akai-Sampler geht deshalb einen anderen Weg. Der digital gespeicherte Sound wird einfach schneller oder langsamer abgespielt. Das ist genau das gleiche, als wenn man eine Bandmaschine schneller oder langsamer laufen lässt. Der Ton wird dadurch transponiert. Der große Nachteil: Der aufgenommene Klang klingt nur in der aufgenommenen Pitch ab-solut original. Desto mehr man ihn transponiert, entfernt sich der Klangeindruck vom Natursound. Die Stimme wird in höheren Lagen zur Micky Maus, die nepalesische Tempelglocke in tieferer zum riesigen Gong.

Dieses Verfahren hat noch eine weitere Auswirkung. Spielt man ihn in transponierter Form schneller oder langsamer ab als das Original, dauert der Sound natürlich entsprechend kürzer oder langer als der Originalsound. Sampelt man meinetwegen mehrere Percussionschläge, klingt diese in höherer Lage zwar höher gestimmt, aber schneller gespielt. In tieferer Lage ist sie entsprechend tiefer gestimmt, eiert aber auch sehr viel langsamer vor sich hin als die Originalpercussion. –

Multisampling

Teuere Sampler wie Emulator JX, Fairlight oder Synclavier umgehen dieses Problem durch Aufteilung ihres Speicherbereiches in mehrere Abschnitte. Ähnlich wie das Mellotron von einst, können sie ein Klavier in mehreren Abschnitten sampeln. Meist in 8 oder 16 Bereichen, Das Sampling Keyboard wird dann mir entsprechend vielen Splits versehen, Und jedem Bereich sein Sample zugeteilt. Man nennt dieses Verfahren Multisampling. Die einzelnen Samples müssen dann nur im Bereich einiger Töne transponiert werden. Die Klang- und Geschwindigkeitsveränderung ist dann wesentlich geringer, als wenn nur ein Sample über den gesamten Bereich transponiert werden muss, Mit zunehmender ‚Verbilligung der Speicher-IC’s wird sicher eines Tages das digitale Mellotron mit digitaler Samplingschleife hinter jeder Taste entstehen, Doch das wird noch einige Zeit dauern.

Ein weiteres Problem werfen die hohen Speicherkosten auf. Will man schöne Geigen mal wirklich lange liegen lassen, müsste der Sample natürlich entsprechend lange aufgenommen werden. Das hieße, man benötigte eigentlich Samplingzeiten von vielen Minuten je Sound. Auch dies kann man bei den hohen Speicherkosten momentan abschreiben. Zu vernünftigen Preisen lassen sich momentan nur Samplingzeiten im Sekundenbereich verwirklichen, vorausgesetzt man will ordentliche Tonqualität erhalten.

Je mehr einzelne Proben eines Sounds nämlich je Sekunde gespeichert werden, desto besser ist die Soundqualität. Um einen Frequenzbereich von 16 kHz zu erreichen, muss der Sampler immerhin 320004 Proben je Sekunde digitalisieren und auf einzelne Speicherplatze ablegen. Ist die Soundqualität weniger entscheidend als die Lange der Aufzeichnung, kann man den Sampler auch mit geringerer sogenannter Sampling Rate laufen lassen. Genügt meinetwegen 4 kHz Bandbreite, muss er nur 1/4 so viele Proben aufzeichnen und bringt so einen vier mal längeren Sound, in diesem Fall also schon vier Sekunden, unter.

Schleifenbildung

Was aber nun wenn der Sampler seinen Speicherinhalt ausgegeben hat? Bricht der Sound dann ab? Im Prinzip ja, so war es zum Beispiel beim guten alten Mellotron. War die Bandschleife durchlaufen, endete der Ton einfach. Sampler umgehen dieses Problem durch einen Trick. Sie können sogenannte Loops (Schleifen) bilden.
Der Sampler liest beim Abspielen eines Sounds zunächst die einzelnen Speicherplätze der Reihe nach aus. Der Sound beginnt mit natürlichem Attack. Einen bestimmten Punkt des Sounds, möglichst direkt nach dem Attack, in einem Bereich des Klanges, in dem sich nicht mehr sehr viel tut, definiert man einen sogenannten Loop Start Point. Zunächst interessiert sich der Sampler für diesen noch nicht. Er läuft darüber hinweg, spielt seinen Sound weiter ab, hat diesen Start Point jedoch in seinem Gedächtnis gespeichert. Er läuft und läuft, bis er einen zweiten wichtigen und beliebig einstellbaren Punkt erreicht. Den Loop End Point. Diesen wählt man vor dem beginnenden Decay des Sounds. Möglichst in einem Klangbereich des Sounds, der dem am Loop Start Point sehr ähnlich ist.

Der Sampler verknüpft nun elektronisch den Loop End Point mit dem Loop Start Point und spielt die so entstandene Soundschleife immer wieder zyklisch ab, so lange eine Taste des Keyboards gedrückt bleibt. Nach dem Loslassen erst läuft er über den Loop End Point hinweg und lässt den Sound ausklingen. Das Problem der Loop-Bildung liegt in der richtigen Wahl von Loop Start und Loop Endpunkt. Man kennt das Problem vielleicht von Bandschleifen-Effekten mit normalem Tape. An der Schnittstelle hört man sofort einen Schwupp, wenn der Sound am Loop End und Loop Start nicht absolut identisch klingt, die Obertonstrukturen voneinander abweichen. Die richtige Wahl dieser beiden Punkte ist für die Echtheit eines geloopten Samples absolut entscheidend. Man muss etwas damit experimentieren. Der Akai Sampler unterstützt das Finden des Loops etwas durch einen Automatik-Modus. In diesem sucht er sich selbst passende Loop-Stellen. Genug der Vorrede zum aktuellen Gerät:dem Akai 5 612.

Wie schon angedeutet, ist es ein Midi-Expander. Das heißt, man kann ihn nur in Verbindung mit einem Midikeyboard direkt spielen. Natürlich kann man ihn auch per externem Midi-Interface und Computer von einer Composersoftware aus ansteuern. Das Gehäuse ist in 19″ Format, zwei Höheneinheiten hoch. Auf dem Bedienpanel links der Power-Druckschalter, zwei 6mm Klinken Inputs für Mic und Line In, einer für einen externen Trigger Input. Neben dem Powerschalter zwei Drehpotis für den Aufnahmepegel des Sampels und den Monitor. Der Recording-Level ist im Line-Betrieb meiner Meinung nach etwas empfindlich. Kommt man mit 0dB aus einem Mixer in den Input, darf man den Recording-Level fast nicht aufdrehen, ohne dass die LED-Anzeige sofort in den roten Overload Bereich wandert. Man krebst also immer ganz im untersten Drehbereich des Potis herum.

Sehr praktisch ist der Monitor-Regler. Er schaltet das in die Inputs kommende Signal auf den Line Out des Samplers. Man hört so ohne umzustecken direkt über den Mixer, was gerade am Input zu sampeln anliegt, kann im entscheidenden Moment den Sampler auslösen, und nach Zudrehen des Monitorreglers sofort hören wie der Sample klingt.
Der Sampler ist ein Midi-Expander. Leider kann man ihn jedoch nicht normgerecht auf die 16 Empfangskanäle einstellen, sondern nur auf einen Nullkanal, der sämtliche eintreffenden Kanalinformationen umsetzt und auf die Kanäle 1 bis 9. Die Kanäle wählt man über die zwei Taster Channel Down und Channel Up im mittleren Bedienfeld an. Alle Taster dieses Bedienfeldes sind übrigens Folienswitches. Ein dritter Midi-Switch trägt die Aufschrift „Mono/Poly“ Normalerweise spielt man im Poly Mode. In diesem Mode kann man die sechs Stimmen überlagern. Eine zuerst getriggerte Stimme klingt unbeeinflusst aus, während man eine weitere in anderer Lage zuspielt. Nimmt man etwa irgendeinen Effektsound auf, kann man diesen beispielsweise in ganz tiefer Lage liegen lassen und oben eine Melodie dazuspielen. Man kann also die Stimmen wirklich unabhängig voneinander spielen oder als Loop liegen lassen. So lassen sich aus einem Sample beim Abspielen in verschiedenen Tonlagen quasi völlig verschiedene Sounds gleichzeitig erzeugen. Sprache klingt sehr viel tiefer und gelooped wie ein eigenartiges Urweltgeräusch, fern jeglichen Sprachlautes. Hierüber kann man dann in mittlerer Lage die Originalsprache spielen und ganz oben eine Mickey Mouse. Im sogenannten Mono Mode hingegen triggert jeder Anschlag sämtliche sechs Stimmen neu. Es handelt sich also um eine Art Keyboard-Mono-Mode. Wie sich die Akai Leute die Bezeichnung dieser Taste jedoch genau gedacht haben, ist mir nicht ganz klar.

Wie nimmt man die Sounds auf? Kinderleicht, einzige Vorraussetzung, man hat einen astreinen Sound zur Verfügung. Das Ganze kommt nämlich hinten niemals besser raus als vorne rein. Will man etwa super Strings sampeln, benötigt man schon ganz gute Technik im Studio um erstmal einen super Stringsound zu produzieren. Oder man nimmt den Sound von der Platte. Doch das ist denn ja geklaut, oder? Hier werden sich in nächster Zeit sicherlich einige Herren die Köpfe über die moralisch rechtliche Seite des Sound-Klau’s die Köpfe zerbrechen. Trotzdem geben auch schon ganz unbearbeitete Sounds teilweise super Effekte. Schwierig wirds nur, wenn man absolut originale Instrumentensounds aufnehmen will. Akai wird aus diesem Grund ihren Stützpunkthändlern eine sehr umfangreiche Soundbibliothek auf Diskette zur Verfügung stellen, die von 5 612 Besitzern genutzt werden kann. Wie dies genau vorgehen wird, war bei Drucklegung noch nicht hundertprozentig klar. Gehen wir jedoch davon aus, dass ein zum Sampeln geeigneter Supersound vorhanden ist.

Zunächst steuert man den Sampler natürlich mittels Rec-Level-Poti und der 7-Stufen LED-Anzeige aus. Der Sampler wird dann durch Drücken der New-Taste in eine Art Wartezustand gebracht. Eine LED neben der New-Taste signalisiert dies durch blinken. Erreicht der Pegel am Sampler Input eine gewisse Schwelle, triggert er sich selbst und beginnt die Aufnahme. Die LED leuchtet jetzt kontinuierlich, solange der Sampler aufnimmt. Durch den Automatik Trigger erwischt der Sampler jeden auch noch so abrupten Soundbeginn. Man muss also nicht gleichzeitig Percussion trommeln und den Aufnahmeknopf richtig treffen.

Der Sampler stellt noch einen zweiten Aufnahme Mode, den Overdub Mode, zur Verfugung. Wie schon der Name sagt wird hier der schon im Sampler befindliche Sound mit einem zweiten überlagert. Wieder höchst interessant für Soundspezialisten.

Die Sampling Rate des Samplers bestimmt man über das angeschlossene Masterkeyboard. Hiermit wird gleichzeitig festgelegt, auf welcher Key der Sampler in der Originaltonhöhe abgespielt werden soll. Im oberen Keyboardbereich läuft der Sampler schnell, die Tonqualität ist gut, die Aufnahmezeit kurz, im unteren Bereich läuft er langsam, die Tonqualität ist mäßiger, aber dafür lassen sich längere Sounds aufnehmen. Man kann hier nach Herzenslust experimentieren. Die Tonqualität des Samplers ist dank der 12 Bit Auflösung für ein Gerät dieser Preisklasse sehr gut. Laut Hersteller besitzt der S 612 eine Bandbreite von maximal 25 Hz bis 20 kHz. Bei dieser Güte hat man jedoch nur eine Sekunde Aufnahmezeit. Die maximale Aufnahmezeit beträgt 8 Sekunden. In diesem Fall beträgt die Bandbreite jedoch nur noch 4 kHz Für Effekte reicht das gerade noch. Bei gewissen Extremsounds lassen sich Digitalisier-Nebengeräusche ausmachen. Die Soundqualität selbstgesampelter Sounds wird sicher in vielen Fällen durch die Qualität des bereitgestellten Originalsounds, denn durch den Sampler selbst begrenzt werden. Nach beendetem Aufnahmevorgang schaltet der Sampler automatisch in den Loop Mode. Man kann den Sound sofort über das Keyboard austesten. Neben dem Loop Mode gibt es noch einen One Shot Mode und einen Alternating Mode. One Shot ist klar, hier läuft der Sample einfach von Anfang bis Schluss durch, ohne Loop. Im Alternating Mode wird der Sound immer abwechselnd einmal vorwärts und einmal rückwärts abgespielt. Rückwärts klingen die Sounds genauso als hätte man das Band falsch ‚rum eingelegt. Ganz witziger Effekt. Der Sampler stellt auch einen echten Reversed Mode zur Verfügung. Mit zwei Schiebereglern lassen sich Loop Start und Loop End Point (Splice) auch per Hand bestimmen. Legt man den Loop Start hinter den Loop End, wird der Loop jeden Durchlauf invers abgespielt. Mit dem Key Trans-Switch lässt sich der Sampler im Bereich von einigen Oktaven transponieren.

Bearbeitung der Sounds

Zur weiteren Bearbeitung der Sounds steht noch eine recht umfangreiche Analog-Bank zur Verfügung. Hier gibt’s einen LFO mit regelbarer Geschwindigkeit, Modulationstiefe und Verzögerung, zur Modulation des Samplesounds, einen Low Pass Filter mit regelbarer Filterfrequenz zum Abschneiden eventueller Störanteile im Höhenbereich des Signals, und ein VCA mit regelbarem Decay. Mit letzterem lassen sich auch längere Samplesounds percussiv spielen. Ganz rechts am Sampler noch ein Master Tune-Poti und darunter der 6mm Klinken-Line Out. Die gesampelten Sounds lassen sich über eine demnächst lieferbare Diskettenstation auf ganz handelsübliche 3″ Disketten verewigen. Dabei werden auch alle Panel-Einstellungen mit auf die Diskette gespeichert. Ein Sound hat auf der Diskettenvorderseite, einer auf der Rückseite Platz. Der Sampler selbst verliert nach Abschalten der Netzspannung leider den im Arbeitsspeicher befindlichen Sound. Die Diskettenstation wird über einen Vielpolstecker auf der Rückseite des Samplers angeschlossen und der Speicher bzw. Ladevorgang über die Switches Save und Load ausgelöst. Im Display erscheint im Disk Mode ein ‚d‘. Die Zugriffszeit der Diskettenstation auf die Sounds ist recht schnell. Meine Prototyp-Diskettenstation schaffte einen Sound in 4 Sekunden. Die auf Disk gespeicherten Sounds lassen sich mit einer Verify-Funktion auf ihre Fehlerfreiheit überprüfen. Auf der Rückseite des Geräts befinden sich nochmals ein Line Out, die Midi In, Out und Thru Buchsen, die Buchse für die Disk-Drive und der Spannungsanschluß für die Diskettenstation, ein abgedeckter Tape Interface-Schacht (nach dem internen Anschlußformat kann hier offensichtlich ein spezieller Datenrecorder angeschlossen werden) und eine Voice Out Vielpolbuchse, deren genaue Verwendung noch Akai-Geheimnis ist (hier tut sich sicher noch was!).

Zusammenfassung

Der weiterentwickelte Akai Sampler ist eine hervorragende Ergänzung in jedem Midi-System. Er erschließt völlig neue Sound und Effektbereiche in einem sehr angenehmen Preisbereich von DM 2600,-. Ein großes Plus ist auch die Tatsache, dass sich als Speicherdiskette jede handelsübliche 3″ Diskette verwenden lässt. Dadurch wird das Soundarchiv nicht allzu teuer. Die Disketten gibt es für ca. 7,- DM in jedem Computershop. Warum man jedoch nur neun und nicht alle 16 Midikanäle adressieren kann, ist mir nicht klar geworden. Vor allem beim Arbeiten mit Computer und Recorder Software ist dies ein Manko.

Fotos & Text R.A.  Veröffentlicht in Sound Check Juli 1985

Korg DW6000, Test von Richard Aicher für SoundCheck, Mai 1985

Korg DW6000

Jedem seinen Sound

Mehr als ein Jahrzehnt haben sie jeden zufriedengestellt. Vom Avantgardefreak bis zum Schnulzenheini, alle bastelten ihre Sounds aus wenigen Kurvenformen: Sinus, Dreieck, Rechteck und Sägezahn. Doch plötzlich ist der Teufel los. Was gestern noch super war, ist heute ,vergessen. Und mit einem ganz normalen Sägezahn kann man heute keinen Staat mehr machen. Das Rennen hat begonnen. jedem Hersteller sein Synthesizerverfahren, jedem Produzenten seinen Sound.

Nachdem Yamaha mit der FMSynthese und Casio mit Phase-Distortion Furore machten, will man nun auch bei Korg nicht länger an Analogsounds kleben bleiben. Doch nicht jeden Tag fällt ein völlig neues Klangsyntheseverfahren vom Himmel. So besann man sich auf eine Methode, mit der PPG auf ähnliche, jedoch komplexere Weise seine Wavecomputer zum Klingen bringt: digital erzeugte und in Chips abgespeicherte Kurvenformen. Man fängt quasi da an, wo Sinuszugriegelorgeln aufhören.
Jeder der bei den Oszillatoren des DW 6000 liefert acht (!) verschiedene Kurvenformen. Diese wurden nach dem Verfahren der additiven Synthese gewonnen. Genau das gleiche Verfahren benutzen Sinuszugriegelorgeln. Man mischt Sinusschwingungen diverser Fußlagen so lange mit unterschiedlichen Amplituden, bis sich der gewünschte Klang ergibt. Aus der Überlagerung resultiert eine sehr komplexe, obertonreiche Kurvenform, die nichts mehr mit Sinus oder den restlichen Grundwellenformen zu tun hat. Während der Endmix des Sounds aus den einzelnen Grundkomponenten bei der Sinuszugriegelorgel im Ohr des Betrachters stattfand, werden die Kurvenformen bei der digitalen Klangsynthese natürlich berechnet.

Acht verschiedene digitale Kurvenformen als Ausgangsmaterial
Acht verschiedene auf diese Weise berechnete Kurvenformen wählten die Korg Techniker also aus und brannten sie auf 2 ROM-Chips. Die enthaltenen Oszillatorenkurvenformen sind übrigens auf dem Bedienpanel abgebildet. Auch das jeweils zugehörige Frequenz/ Amplituden-Spektrum sieht man hier. Letzteres verdeutlicht, welche Obertöne und mit welcher Amplitude diese an der Mischung (additiven Synthese) der betreffenden Kurvenform beteiligt sind. Die Darstellungen sehen gut aus, und man weiß, womit man arbeitet. Mehr Sinn dürften sie jedoch nicht haben. Am Besten hört man sich zunächst mal an, wie die jeweiligen Kurvenformen klingen. Sie haben mit Dreieck, Sinus, Rechteck oder Sägezahn nichts mehr zu tun, sondern klingen bereits instrumentenspezifisch.
Für den DW 6000 haben die Korg Techniker überdies digital klingende Kurvenformen ausgewählt. Keine Angst, mit Orgelsounds von einst hat das nichts mehr zu tun. Wo die Orgler von einst aufhörten, fängt der DW 6000 erst so richtig an. Diese Sounds bilden ja erst die Oszillatorschwingungsform. Wir jagen sie jetzt durch den Filter, modulieren das Ganze nach Lust und Laune und versehen die so analog weiterverarbeiteten digitalen‘ Oszillatorkurvenformen mit den gewünschten Envelopes. Bis alles stimmt. Auf diese Weise lassen sich DX 7 bzw. PPG-Sounds ganz gut imitieren.
Das Besondere des DW 6000 steckt also in den beiden Oszillatoren. Die von Korg gewählten Schwingungsformen sind für den digitalen Sound des Keyboards in großem Maße verantwortlich. Sicher dürfte es auch technisch kein allzu großes Problem sein, die auf Chips gespeicherten Kurvenformen durch andere auszutauschen. Vielleicht kann man diese sogar einmal selbst programmieren. Hardware-Umrüst und -Aufrüstfreaks, wie wär’s mit ein paar Gedanken in dieser Richtung! Der Rest des DW 6000 ist solide nach altbewährter Korg-Manier aufgebaut. Beide Oszillatoren lassen sich auf die Fußlagen 16′, 8′, und 4′ schalten und mit regelbarer Amplitude abmischen. Oszillator 2 lässt sich in Intervallen (kleiner und großer Terz, Quart und Quinte) zum ersten stimmen oder in Schwebung leicht verstim men (Detuning). Der Detune-Bereich liegt im Bereich einiger Herz. Somit lässt sich zwar der Sound etwas lebendiger gestalten, aber für extremere Effekte ist es etwas zu wenig. Als weitere Klangquelle gibt es noch einen Rauschgenerator für Sturm und Brandung oder auch einigermaßen natürlich klingende Anblassounds oder Percussion. Der Rauschgenerator kann in 32 Stufen zugemischt werden. Diese 32-stufige Quantelung gilt übrigens für die meisten regel baren Parameter. Nur die Cutoff-Frequency des Filters ist feiner, nämlich in 64 Stufen aufgelöst.

Programmierung und Bank-Hold
Sämtliche Parameter besitzen eine Nummer. Tippt man diese im Parameter (Edit) Mode auf den acht Zahlentastern ein, erscheint im Display der aktuelle Wert des Parameters. Diesen kann man nun im angegebenen Bereich entweder über den Value-Schieberegler oder den Up- bzw. Down-Taster step für step ändern. Neben dem Parameter-Wert steht die aktuelle Programmnummer und die Parameternummer im Display. Es ist im Dunkeln hervorragend, mit zunehmender Beleuchtung jedoch immer schwerer zu entziffern. Das ist ungünstig, denn man kann ja nicht deswegen im Dunkeln spielen. Eine Tabelle auf dem Frontpanel mit den Parametern und Nummern, sowie den jeweils möglichen Einstellwerten, erleichtert anfangs das Selbstprogrammieren von Sounds ziemlich.
Logisch zusammengehörige Parameter, wie z. B. Filterparameter oder Filterenvelopeparameter usw., stehen immer in einer Zeile (Bank) nebeneinander. So stehen z. B. die Filter Envelopes Attack, Decay, Break Point, Slope, Sustain und Release in einer Zeile (Bank) und haben die Nummern 41 bis 46, wobei die erste Ziffer, hier also 4, die Bank und die zweite die Nummer des Parameters in der Bank bezeichnet. Die VCA-Envelopes stehen eine Zeile tiefer und tragen die Nummern 51 bis 56. Dieses System hat man bald im Kopf, und wenn nicht, findet man sich in der Tabelle schnell zurecht.
In Verbindung mit dem Bank/Parameter Hold Schalter weist dieses System noch ein weiteres Plus auf. Normalerweise muss man ja immer zweistellige Zahlen eintippen, um ein Programm oder einen Parameter zu ändern, Banknummer und Parameternummer. Drückt man jedoch den Bank Hold Switch, genügt die Eingabe der Parameternummer, die Bank bleibt in diesem Fall immer die gleiche. Das ist praktisch, wenn man z. B. nur mit den Filter-Envelopes oder eben den Parametern innerhalb einer Bank experimentieren will.
Der DW 6000 ist ein Keyboard mit dem man eigene Sounds leicht erstellen kann und auch sollte. Die mitgelieferten Sounds lassen nämlich von den Möglichkeiten des Geräts nur wenig ahnen. Vielleicht hören eben japanische Ohren doch anders als unsere. 64 Sounds haben übrigens im Programmspeicher Platz. Sie sind in acht Bänken mit jeweils acht Sounds zusammengefasst. Man kann sie auf Tape speichern.

Filter
Beim Filter handelt es sich um einen ganz normalen Low Pass Filter mit regelbarer Cutoff-Frequency (64 Stufen) und regelbarer Resonanz. Letztere lässt sich bis zum Selbstschwingen des Filters hochregeln. Und hier freut man sich dann spätestens über die feine Auflösung der Cutoff-Frequency. Weiter geht ’s mit dreistufigem Keyboardtracking und normaler sowie inverser Filterenvelope. Bei normaler Filterenvelope wird der Ton bei z. B. langsamem Attack langsam heller (Filter öffnet sich), bei inverser Envelope jedoch entsprechend langsam dunkler (Filter schließt sich). Mit der Inverse Polarity lassen sich teilweise ganz witzige Effekte erzeugen. Der Grad, mit dem der Envelope den Filter beeinflusst, ist regelbar.

Envelopes
Wie üblich, bietet der Korg auch bei diesem Synthie diffizilere Envelope- Einstellmöglichkeiten als die Konkurrenz. Zusätzlich zu Attack, Decay, Sustain und Release lässt sich ein weiterer Bereich mit dem sogenannten Breakpoint und der Slope Time definieren. Dieser Zeitbereich schließt direkt nach dem Decay an, die Slope Time bestimmt das Abfallen des Pegels auf den Sustainpegel. Unser Ohr identifiziert verschiedene Klänge in sehr großem Maße durch deren unterschiedlichen Hüllkurvenverlauf. Vor allem die ersten Augenblicke des Sounds sind hierfür entscheidend. Dieser zusätzliche Regelbereich ist also nicht bloß Gag, sondern ermöglicht tatsächlich exakteres Reproduzieren natürlicher Klangeinsätze. Die Attacks waren bei meinen Gerät ca. im Bereich 0 bis 10 Sekunden, die Decays im Bereich von ca. 15 Sekunden regelbar.

LFO, Joy-Stick und Chorus
Für die Modulation sorgt ein LFO, der. jeweils regelbar sowohl den Oszillator als auch den Filter bzw. beide gleichzeitig, beeinflussen kann. Leider verfügt er nur über eine Dreiecksschwingung. Mit dem Delayregler konnte ich bei meinem Gerät Verzögerungen bis ca. 5 Sekunden erzielen. Das Portamento ist polyphon und läuft in der langsamsten Einstellung in ca. 10 Sekunden vom tiefsten C bis zum höchsten H. Die Zeit wird ins Memory übernommen.
Der Pitchbender lässt sich nicht nur in einer Dimension bearbeiten. Pitchbender ist etwas untertrieben für dieses Gerät. Genauer gesagt ist es ein Joy-Stick, in vier Richtungen bewegbar. Nach oben regelt er die LFO-Modulation der bei den Oszis, nach unten die des Filters. Nach rechts gedrückt, bewirkt er einen Bend des Oszillators nach oben, nach links, dasselbe nach unten. Gute Effekte erzielt man bei Schrägbewegungen. In jeder Stellung des Joy- Sticks hat man also einen anderen Effekt, bzw. eine Kombination zweier Effekte. Für einen breiteren Sound sorgt zu guter Letzt ein Stereo-Chorus. Der sich aber leider auch bei Korg durch leichtes Rauschen bemerkbar macht.

Volume, Tune und Key-Assign-Modes
Zu den bei den Schiebereglern für Gesamtvolumen und Tune lässt sich nicht viel sagen, außer, dass das Tuning im Bereich eines Halbtones arbeitet. Neben diesen Reglern sind die drei Key-Assign-Switches für die bei den Poly Modes 1 und 2 sowie den Unisono-Mode zum Solospiel mit fettem Sound Alle sechs Oszillatoren jeder Bank spielen in diesem Fall wie bei einem monophonen Synthie jeweils den gleichen Ton. Die einzelnen Oszis werden im Unisono Mode zusätzlich leicht gegeneinander verstimmt. Die entstehenden Schwebungen machen den Sound noch voller.

Midi-Features
Mittlerweile beinahe selbstverständlich: die Midi-Channels sind von 1 bis 16 wählbar. Normalerweise arbeitet der DW 6000 im Poly-Mode. Der Omni-Mode lässt sich zu bzw. abschalten. Dann gibt es noch den etwas unglücklich mit ‚Midi Enable‘ benannten Switch, mit dem man die empfangenen Daten bestimmt. In der Stellung ‚Note Data‘ verarbeitet der DW 6000 nur Tonhöhen- und -längeninformationen, während in der Stellung ‚All‘ auch die restlichen Informationen, also Modulation und Pitch Bend, Portamento, Pedal und Programmwechsel sowie die System Exclusive Informationen verarbeitet werden.

In und Outs
Zu den In und Outs auf der Rückseite: zwei getrennte Outs für Left und Right Signal, einer davon ist zusätzlich der Mono Out. Der Pegel ist in zwei Stufen (high und low) schalt bar. Daneben eine Phone- Klinkenbuchse und die drei Klinkenbuchsen für das Volumepedal bzw. die beiden Footswitches für Portamento und Programm up. Im Gegensatz zu den bisher besprochenen Standardklinkenbuchsen sind die Tape In und Outs für die Tapememory 3,5 mm Klinke.
Last but not least ein Write Enable Switch und die drei Midi-Buchsen (ln-, Out- und Thru-). Beinahe hätte ich natürlich das Wichtigste vergessen: der DW 6000 ist sechsstimmig spielbar, leider ohne Anschl agdynamik bzw. After Touch. Das Keyboard hat einen Umfang von 5 Oktaven (c-c).

Zusammenfassung
Der DW 6000 ist ein solider, leicht programmierbarer Synthie mit interessanten Klangmöglichkeiten. Von den Factorysounds sollte man sich zunächst nicht abschrecken lassen. Beim Korg- Vertrieb arbeitet man an neuen. Mit dem Synthie lassen sich alle gängigen Analogsounds und darüber hinaus interessante, ‚digitaler klingende‘ Sounds realisieren. Wirklich schade fand ich eigentlich nur, dass er nicht mit Anschlagsdynamik spielbar ist. Der empfohlene Verkaufspreis liegt bei 3.290,- DM.

Richard Aicher, erschienen im April 1985 in SoundCheck

Sequential Circuits Multitrack

Sequential Circuits Multitrack

Testbericht von Richard Aicher. Erschienen im Mai 1985 im Musikmagazin Soundcheck

Ein Winzling. Vom Äußeren her, jedenfalls. Auf den ersten Blick war ich zunächst einmal enttäuscht. Der Multitrack hat mit Sequential Circuits Design von früher nichts mehr zu tun. Vorbei sind die Zeiten, als Keyboards wie der legendäre Prophet V auch noch wie solche aussahen. Das Plastikzeitalter und die Miniaturisierung greift auf dem Keyboardmarkt um sich. Doch diese Mini-Dinger leisten mehr als weit massivere Vorfahren. Das Keyboard des Multitrack umfasst fünf Oktaven und ist sechsstimmig mit regelbarer Anschlagsdynamik spielbar. Diese lässt sich auf die Lautstärke, den Filter und den LFO-Amount legen. Verglichen z. B. mit Roland Keyboards ist der Anschlag härter. Die sechs Voices werden mittels ‚last note priority‘ den jeweils sechs zuletzt gespielten Tasten zugeordnet. Zwei Wheels an der linken Seite ermöglichen Pitch Modulation im Bereich einer Terz nach oben und unten, sowie Modulation der Oszillatoren.

Die sechs Voices sind total nach herkömmlichem Schema spannungsgesteuerter Analog-Synthies aufgebaut und voneinander völlig unabhängig. Der resultierende Sound ist ein Leckerbissen für Analog-Fans und mit zunehmender Digitalisierung der Keyboard-Klangwelten eine erfrischende Abwechslung.

Die Oszillator-Waveforms sind Sägezahn, Dreieck und Rechteck und können unabhängig voneinander an und abgeschaltet werden, lassen sich jedoch leider nicht stufenlos mischen. Die Pulsweite ist natürlich manuell regelbar (1%-99%), lässt sich aber auch automatisch vom LFO modulieren. Zum Oszillatorsound lässt sich Noise in beliebigem Verhältnis zum ischen. Die Oszillatoren sind im Bereich von vier Oktaven grob- und innerhalb eines Halbtones feinstimmbar. Hierzu tippt man zweistellige Digitalwerte ein. So steht z. B. ’00‘ für die tiefste Oktave, 12 für die nächsthöhere, 24 wieder für eine drüber usw. Ein Digit entspricht einem Halbton. Schade, dass die Werte -nicht in den entsprechenden Tonbezeichnungen übersetzt werden.

Mit einem Master Tune, der nicht in das Memory übernommen wird, lässt sich das ganze Oszillatorset gemeinsam im Live-Betrieb nachstimmen. Der Multitrack verfügt über automatisches Tuning. Nach genau 30 Sekunden Spielpause wird der Reihe nach jeweils ein Oszillator neu gestimmt. Greift man in die Tasten, unterbricht der Multitrack den Tuning- Vorgang sofort. Auch kurz nach dem Einschalten des Multitracks werden als erstes die Oszillatoren gestimmt. Für witzige Effekte sorgt die Glide-Funktion, vor allem im polyphonic Mode (Unisono off). Normalerweise setzt man sie nur im sogenannten ‚Unisono Mode‘ ein (alle Oszillatoren spielen einen Ton, entspricht monophonem Synthie mit sechs Oszillatoren). Die langsamste Glide-Geschwindigkeit ist ca. drei Sekunden/Oktave.

Für jede Voice des Multitracks stehen zwei Modulationssysteme zur Verfügung: Frequency-Modulation und LFO-Modulation. Im ersteren Fall moduliert die Oszillatorfrequenz den Filter (high-frequency modulation). Damit erhält man recht interessante ringmodulatorartige Sounds (Glocken und Crashs, DX 7-Percussion). Der LFO bietet Dreieck- -und Rechteckkurvenformen für Vibratos, Triller und ähnliches. Die LFO-Frequenz reicht von ca. 1/4 Hz bis 20 Hz. Die Modulationstiefe (Amount) regelbar. Der Multitrack stellt je Voice zwei LFOs zur Verfügung: einen für den Oszillator und einen für den VCF. Ein dritter LFO wäre natürlich nicht schlecht gewesen.

Drei Envelopes machen das Klangtüfteln zur Freude. Oszillator, Filter und VCA verfügen jeweils über eine eigene Envelope. Mit der Oszillatorenvelope lassen sich z. B. ätzende Toms mit original Simmons-Bend-Effekt realisieren. Die regelbaren Bereiche (ca. 1 bis IS Sek.), sind wie gewohnt: Attack, Decay, Sustain und Release, sowie der Envelope-Amount.

Ein 24 dB (4-pol) Low Pass sorgt für guten Ton. Die Cutoff-Frequenz ist mit 128 Digits sehr fein einstellbar. Der Filter lässt sich deshalb bei entsprechend hoher Resonanz als vierte Ton-Signalquelle einsetzen. Dann wirkt der Cutoff-Regler als Tuningregler für den Sinus-Sound des schwingenden Filters. Wie schon erwähnt, lässt sich der Filter sowohl vom LFO als auch von der Oszillatorfrequenz modulieren.

Die LFO-Modulation ist schaltbar , die Oszillator- Modulation regelbar. Das Keyboard- Tracking lässt sich in drei Stärken auf den Filter schalten. Den schwingenden Filter kann man so als Pseudo-Oszillator über das Keyboard spielen.

Für das Kind der jüngsten Digitalgeneration ist selbstverständlich, dass die gesamte Steuerung des sonst analogen Geräts voll digital abläuft. Das heißt für den Musiker: Tipptaster , LEDs und Digital LED-Displays. Fast alle Parameter sind in 64 Digits aufgelöst, die Cutoff-Frequenz sogar in 128. Die feine Auflösung vermindert hörbare Sprünge beim Verändern der Parameter in Realtime. Das Problem der Parameterwahl im Edit-Mode ist recht gut gelöst. Alle Parameter stehen im Parameter Edit Feld, einem Feld mit vier Zeilen (Banks) und 10 Spalten

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(Parameter). Jeder Parameter steht auf einem Kreuzungspunkt einer Zeile mit einer Spalte. Mit dem Bank- Switch wählt man die Bank an, in der der gewünschte Parameter steht. Sie wird von einer LED markiert. Dann wählt man mit dem Spalten- Select Switch die richtige Spalte. Unter jeder Spalte befindet sich ein eigener Select Switch. Mit einem Parameter Value-Regler stellt man dann den gewünschten Parameter ein. Der eingestellte Wert erscheint im Display. Bei Programmieren eigener Sounds kann man entweder von den 100 mitgelieferten Sounds ausgehen oder vom sogenannten Basic Patch. Das Basic Patch ist nichts anderes als eine Minimal-Einstellung des Multitracks. Man hört einen ganz einfachen Sägezahnton. Alle anderen Parameter sind automatisch auf 0 zurückgestellt. So lassen sich neue Sounds ganz von den Roots an schnell programmieren.

Erst das Herzstück, der sechsstimmig polyphone Sequenzer macht den Multitrack zu dem, was er ist, eine perfekte Komponier- und Arrangiermaschine. Er kann vier polyphone Sequenzen, insgesamt 1600 Töne, aufnehmen und wiedergeben. Die vier Sequenzen lassen sich zur Wiedergabe in beliebiger Reihenfolge aneinanderhängen. Jede Voice lässt sich mit einem völlig eigenständigen Sound versehen, auswählbar aus den 100 Memories. Dann klingen die einzelnen Stimmen allerdings recht dünn. Nur ein Oszillator je Voice ist eben etwas wenig. Der Sequenzer arbeitet in drei verschiedenen Modes. Im ‚Record Basic Track‘-Mode wird die Grundspur angelegt, die die Sequenzlänge bestimmt. Die restlichen Spuren nimmt man dann im Overdub-Mode auf. Mit den sechs Track-Switches bestimmt man, wieviele und welche Tracks im jeweiligen Durchlauf aufgenommen werden sollen. Im Overdub- Mode werden zuvor aufgenom – mene Sequenzen nicht gelöscht. Ein eingebautes Metronom erleichtert die Aufnahme der Sequenzen. Die ‚Auto Correct ‚-Funktion korrigiert direkt während dem Einspielen, wählbar auf gerade achtel oder Triolen. Daneben gibt es nur noch einen Hi-Res Mode mit 96er Quantelung. Eine 32tel Autokorrektur hat man leider nicht vorgesehen. Im Overdub Mode lassen sich die aufgenommenen Tracks editieren, also Töne hinzufügen oder löschen. Der Sequenzer lässt sich zu jedem Standard Midi Clock, z. B. von einer Drum Maschine kommend, synchronisieren. Auch ‚Nicht-Midi ‚-Clockimpulse kann man zur Synchronisation benutzen, z. B. einen Sync- Puls zur Tape-Synchronisation. Bequemer als per Hand startet man die Sequenzen per Footswitch. Die Playback- und Aufnahmegeschwindigkeit lässt sich in genügend großem Bereich regeln.

Arpeggiators kamen in letzter Zeit etwas aus der Mode. Der Multitrack hat wieder einen. Er arbeitet auf drei verschiedene Weisen: Up/ Down und Assign. Das Arpeggiator- Memory reicht für maximal 16 gedrückte Tasten. Er nutzt ausschließlich Voice 6. Die Arpeggios lassen sich transponieren. Im Assign-Mode kann man kurze Riffs abspeichern. Der Arpeggiator spielt in diesem Fall die Töne in der gleichen Folge, wie sie eingespielt wurden.

Zur Soundverbesserung ist ein Stereochorus eingebaut. Er ist natürlich an- und abschaltbar, Tiefe und Geschwindigkeit lassen sich regeln.

In dieser Klasse bisher nie dagewesene Soundmöglichkeiten bietet der ‚Stack‘-Mode (Stack = Stapel). Zu verdanken ist dies wiederum den sechs, voneinander völlig unabhängigen Voices. Genau wie im. Sequenzer- Mode lassen sich auch im Realtime- Mode bis zu sechs verschiedene Sounds gleichzeitig auf einen gespielten Ton legen. Je nach dem, wieviele Programme man auf diese Weise Huckepack übereinanderlegt, verringert sich natürlich die Zahl der spielbaren Stimmen. Legt man zwei Sounds übereinander, kann man noch dreistimmig spielen, bei dreien bleiben jedoch nur noch zwei Stimmen unabhängig voneinander spielbar. Mit den Stacks kann man auch Split-Points auf dem Keyboard abspeichern. Bis zu fünf Stacks kann man auf die linke Keyboardhälfte legen. Die verbleibenden liegen dann auf der rechten Hälfte. Für jede Hälfte lässt sich getrennt bestimmen, ob sie polyphon oder als monophoner Stack gespielt werden soll. Zehn verschiedene Stack/Split-Presets haben im Memory Platz.

Der Multitrack ist einer der wenigen Keyboards, die im Mono-Mode arbeiten können. Schließt man einen Computer mit Midi-Recorder-Software an, können die sechs Voices des Multitrack selektiv angesprochen werden. Belegt man die sechs Voices mit unterschiedlichen Sounds, spart man auf diese Weise einige Keyboards. Ein Channel spielt dann meinetwegen den Bass, drei andere die Begleitung, und es bleiben noch zwei Channels für eine fette Solostimme. Vier verschiedene Midi-Modes stehen zur Verfügung: Omni On/Mono Off, Omni On/Mono On, Omni Off/Mono Off und Omni Off/Mono On. Ob die Wheel- bzw. Keyboard Pressure Daten bzw. Programmwechselinformationen übertragen werden sollen oder nicht, lässt sich wählen. Diese Zusatzinformationen benötigen ja immer ziemlich viel Speicherplatz und werden nicht immer benötigt. Der Midi Channel und der Midi Mode Switch befinden sich mit den beiden Tape Memory Switches, den Master Tune und Volume Reglern, .sowie den Chorusreglern im rechten Abschnitt des Panels.

Alle Ein- und Ausgänge liegen auf der Rückseite des Geräts und sind als Klinkenbuchsen ausgeführt. Zwei Mix Outputs, die sechs Track Outputs, Midi In und Out, Tape-Memory In und Out, sowie ein Footswitch- Jack. Ein Midi Thru ist unverständlicher weise nicht vorhanden. Einzeln abgenommene Tracks werden aus den Summen Outs abgeschaltet. Die Einzelausgänge sind für die Anwendung im Studio natürlich ein Segen und sparen teures Nachrüsten. Vom Werk wird der Multitrack mit 100 Demosounds und vier Demosequenzen geliefert. Sie verdeutlichen so ziemlich das gesamte Soundspektrum des Multitrack und sind ordentlich programmiert. Eine Demosequenz zeigt die Möglichkeiten des Multitracking. Beim Antesten erhält man über die gespeicherten Presets also einen recht genauen Eindruck von den Möglichkeiten des Keyboards. Der Multitrack bietet den Sound für Analog-Freaks. Vor allem die Möglichkeit mehrere Sounds übereinanderzulegen und Keyboard-Splits zu definieren sind in dieser Preisklasse einmalig. Der integrierte Sequenzer ist leicht zu bedienen und bietet die Möglichkeit, einfach und schnell gute Arrangements zu erstellen. Vier Sequenzen sind jedoch nicht gerade viel. Legt man auf jede Voice einen anderen Sound, klingen die Stimmen nicht mehr gerade bombastisch, dafür hat man aber viele Sounds gleichzeitig parat. Die Programmierung der Sounds geht nach analogem Muster und funktioniert mit der Zeilen/ Spalten-Methode recht übersichtlich. Midi-Freaks werden sich über den Mono-Mode freuen. Im Studio sind die Track-Einzelausgänge ein großer Vorteil. Der Preis des Multitrack beträgt ca. DM 5500,-.

Aicher

Oscar Music Synthesizer – Test von Richard Aicher, Soundcheck, April 1985

Zumächst dachte ich mir, Oscar sei ein Relikt aus der Synthi-Steinzeit, nur neu aufgelegt. Wer spielt heute noch ein monophones Keyboard, ausser er hat einen der legendären Minimoogs zu Hause? Doch Oscar räumte die anfängliche Skepsis im Lauf des Tests schnell beiseite. Oscar ist kein kleiner kautziger Nachbar, sondern ein neuer zweistimmig spielbarer Solosynthi aus England mit umfangreichen Memory- und Sequenzerftmktionen. Sein Äußeres – ungewohnt im Design und mit nichts Anderem vergleichbar. Oscar sieht aus, als könnte ihm auch ein Sturz aus dem vierten Stock nichts anhaben: bullig umd schlagfest. Beschriftet mit riesen Lettern, die Farben hellbeige und schwarz, wuchtige „Stoßdämpfer“, die die Drehknöpfe auf der Frontplatte schützen sollen, ungeheuer massive Seitenteile, all dies lässt ihn nicht gerade grazil, geschweige denn futuristisch wirken. Leider hält die demonstrierte Massivität nicht so ganz, was sie verspricht. Die Stoßdämpfer sind aus Weich-Plastik und, zumindest beim Testmodell, wackelig, weil nur aufgesteckt. Auch die Drehpotis wackeln. Den Vergleich mit der strotzenden Massivität eines Minimoogs kann Oscar nicht bestehen. Trotzdem, er überlebt unsanfte Schläge im rauhen Live-Betrieb.

Das Keyboard

Das drei-oktavige Keyboard lässt sich sauber spielen. Kein lappriger Anschlag, sondern wirklich guter Druckpunkt. Bei Oscar ist es nicht bloß zum Spielen da. Die Tasten sind in verschiedene Bereiche eingeteilt und nummeriert. Im Edit-Mode besitzen sie nämlich ganz bestimmte und, je nach Mode, wechselnde Ftmktionen. Durch gleichzeitiges Drücken einer bestimmten Tastenund Push-Button-Kombination kann man Sound-, Sequence- und Kurvenform- Presets anwählen sowie Kurvenformen synthetisieren, die Oszillatoren stimmen oder Sequenzen eingeben oder editieren. Am Keyboard gibt’s noch ein Pitch- und ein Modulation- Wheel. Neben den Wheels zwei Push-Buttons, mit denen sich die Fußlage des Keyboards Step-By-Step ändern lässt.

Oszillatorsektion

Oscar hat zwei Oszillatoren mit jeweils drei Kurvenformen: Dreieck, Sägezahn und Rechteck. Dann gibt ’s noch ein Rechteck mit wählbarer ‚fixed‘ Pulsweite und eines mit dreieckmodulierter Pulsweite. Natürlich gibt’s auch Noise. Das ist aber noch lange nicht alles. Neben diesen altbekannten Waveforms hat man noch 5 Preset-Waveforms zur Verfügtmg: Full Organ, Harpsichord, Strang Lead, Double Pulse und Tripie Pulse. Und dann lassen sich, wie gleich zu sehen, 5 weitere Waveforms selbst programmieren und auf die bei den Oszillatoren legen. Oscar nutzt hierzu das Verfahren der additiven Klangsynthese, und das ist bei einem Synthi in dieser Preisklasse neu. Wie bei einer Sinus-Zugriegel- Orgel lassen sich die Waveforms durch Mischen (Addieren), Mastertune und Detune der beiden Oszillatoren auch durch Drücken von entsprechenden Keyboard-Tasten und einem Push-Button einstellen. Mit dem Osc Balance-Regler kann man die bei den Oszillator-Outputs mixen. Ein weiteres Poti regelt das Verhältnis von Noise- und Oszillator- Mastervolume. Mit zwei Potis lässt sich der Einfluß des Modulation- Wheels auf Filter und Oszillator, sowie des Bend-Wheels auf die Oszillatoren regeln.

Sehr umfangreich sind die Glide- Funktionen. Der Glide-Drehschalter besitzt sechs Stellungen für Portamento oder Glissando mit einstellbarer Time oder mit ‚fixed‘ Time. Daneben gibt es noch eine Auto-Stellung.

Filtersektion

Es sind zwei 12 dB Filter vorhanden, die man in Serie oder parallel schalten kann. In Serie sind sie 24 dB steil, parallel hat man 12 dB Filter, deren Cutoff-Frequenz unabhängig voneinander im Bereich von 16 Hz bis 16 kHz regelbar ist. Die Filter lassen sich als High-Pass, Low-Pass oder Band-Pass schalten, sowie als Tracking Filter. Filter wie Oszillator lassen sich vom LFO modulieren, der Dreieck, Sägezahn und Rechteck zur Verfügung stellt.

Envelopes

Zwei getrennte ADSR steuern Filter und Verstärker. Sie können auf die unterschiedlichste Weise gemeinsam oder getrennt vom Keyboard, dem Clock-Oszillator oder extern getriggert werden. Außer dem Stufenschalter für den Trigger-Mode gibt ’s noch den Function-Mode- Schalter. Hier schaltet man zwischen monophonem und duophonem Spiel um, wählt‘ den Arpeggiator an, oder die drei Hold-Funktionen.

Sound

Der Sound des Ganzen ist recht fetzig und erinnerte mich etwas an den Moog-Source. Eben recht gute Bässe, nicht ganz so gewaltig wie einst beim Minimoog, etwas ‚digitaler. Recht gut lassen sich Orgelsounds in allen Varianten erzeugen. Die Presets kann ich nicht beurteilen, da im Testgerät aufgrund eines Transportschadens auf dem Weg aus England alle Memories gelöscht waren.

Sequenzer

Insgesamt haben 12 Sequenzen und 10 Songs im Memory Platz. Jede Sequenz kann maximal 255 Events lang sein, für jeden Song sind bis zu 255 Sequenzen einsetzbar. Ton, Pause, Programmwechselinformation, Repeat-Befehle oder Untersequenzen gelten als Event. Die Repeat-Funktion erlaubt eine beliebige Wiederholung von Sequenzen, wobei die Wiederholung als ein Event gewertet wird.

In den 10 Songs lassen sich auch Voice -Änderungen mitabspeichern. Sequenzen und Songs kann man editieren. Das Einfügen oder Löschen einzelner Events geht einfach.

Der Sequenzer ist eine Art Composer. Die Töne gibt man über das Keyboard ein; sie können gebunden werden. Auch Legatospiel merkt Oscar sich. Pausen markiert man durch Drücken eines Push-Buttons. Es dauert einige Zeit, bis man perfekt mit den 5 Sequenz-Druckschaltern umgehen kann, die je nach Mode diverse Funktionen erfüllen. Im Playback-Mode mit Duo-Trigger kann man zum Playback der Sequenz eine Melodieline auf dem Keyboard spielen. Waveforms, Voices und Sequenzen lassen sich getrennt oder in beliebigen Kombinationen auf Cassette speichern. Also zum Beispiel Waveforms und Voices zusammen, oder Voices und Sequenzen. Sie lassen sich aber immer nur als ganze Sets auf Cassette ausgeben. Die 5 LEDs zeigen jeweils an, ob und was geladen oder gespeichert wird.

An Sounds stehen 24 Presets und beim Testmodell 12 programmierbare Sounds zur Verfügung. Wie aus England zu erfahren war, wird Oscar aber jetzt mit 36 frei programmierbaren Sounds geliefert. Sämtliche Schalter und Potistellungen werden ins Memory mit übernommen. Die Programme ruft man durch Drücken einzelner Sinuskurven unterschiedlicher Frequenz und Amplitude erzeugen. Nur daß hier keine Zugriegel gezogen werden, sondern alles via Elektronik passiert. Im Waveform Edit-Mode sind 24 Keys ebenso viele harmonische Obertöne zugeordnet, die man durch Tastendruck zur Oszillator- Waveform addieren kann. Mehrfacher Druck auf die entsprechende Taste verdoppelt jeweils die Amplitude des entsprechenden Obertones. Die einzelnen Harmonischen lassen sich auch wieder löschen. Klingt alles unheimlich kompliziert? Wirklich, man muß auch etwas üben, bis man die Prozedur kapiert hat und gezielt Waveforms synthetisieren kann. Dann stehen aber Klangbastlern Tür und Tor offen.

Die Fußlage von Oszillator 2 lässt sich von -2 bis +3 Oktaven gegen Oszillator 1 verstimmen. Natürlich gibt’s auch ein Master-Tunepoti. Die Oszillatoren können von 32 bis 2 Fuß gestimmt werden. Fünf LEDs zeigen die Fußlage an. Die gleichen LEDs sind in anderen Programm-Modes für andere Dinge zuständig, man darf sich dadurch anfangs nicht verwirren lassen. Wenn man will, kann man von Push-Button und Keyboardtaste auf. Man kann deshalb Programme nicht wechseln, ohne das Spiel zu unterbrechen.

Oscar ist, wie es sich mittlerweile für einen Digital-Synthi gehört, MIDI-kompatibel. An der Rückwand befinden sich MIDI In, -Out und – Thru. Sonst verfügte mein Prototyp nur über eine Audio-Out und eine kombinierte Trigger /Tape-Memory Buchse. Oscar ist jetzt in Deutschland erhältlich. Sein Preis liegt unter DM 3000,-.

Zusammenfassung

Das Gerät ist super für Sound und Experimental-Freaks, die einen voll speicherbaren Lead- und Effekt- Synthi mit Sequenzer suchen. Es  erfordert einige Zeit, bis man alle Features durch hat. Oscar besitzt hervorragende Möglichkeiten der Waveform-Generation für seine beiden Oszillatoren. Die Memories sind, wie schon erwähnt, nach dem Prototyp von 580 auf 1500 Steptime Events für den Sequenzer erweitert worden. Auch wurden die freien Voice-Memories jetzt auf 36 aufgestockt, und das kann sich sehen und hören lassen. Vielleicht hätte man aber anstatt die Tasten des Keyboard mit Schaltfunktionen zu belegen, lieber eine numerische Tastatur eingebaut, wie es ja auch PPG nach einem mißglückten, ähnlichen Versuch mit dem Wave 360 machte.. Fazit: Absolut super für Hardcore Synthi-Freaks, ansonsten hätte der Oscar getrost einige Jahre früher auf. den Markt kommen können.

Richard Aicher, April 1985 für Soundcheck

Oscar Synthesizer

Oscar Music Synthesizer

Original-Manuskript Testbericht und Fotos von Richard Aicher erschienen im April 1985 im Keyboardmagazin Soundcheck

Zunächst dachte ich mir, Oscar sei ein Relikt aus der Synthi-Steinzeit, nur neu aufgelegt. Wer spielt heute noch ein monophones Keyboard, außer er hat einen der legendären Minimoogs zu Hause? Doch Oscar räumte die anfängliche Skepsis im Lauf des Tests schnell beiseite. Oscar ist kein kleiner kautziger Nachbar, sondern ein neuer zweistimmig spielbarer Solosynthi aus England mit umfangreichen Memory- und Sequenzerfunktionen. Sein Äußeres – ugewohnt im Design und mit nichts Anderem vergleichbar. Oscar sieht aus, als könnte ihm auch ein Sturz aus dem vierten Stock nichts anhaben: bullig und schlagfest. Beschriftet mit riesen Lettern, die Farben hellbeige und schwarz, wuchtige „Stoßdämpfer“, die die Drehknöpfe auf der Frontplatte schützen sollen, ungeheuer massive Seitenteile, all dies lässt ihn nicht gerade grazil, geschweige denn futuristisch wirken. Leider hält die demonstrierte Massivität nicht so ganz, was sie verspricht. Die Stoßdämpfer sind aus Weich-Plastik und, zumindest beim Testmodell, wackelig, weil nur aufgesteckt. Auch die Drehpotis wackeln. Den Vergleich mit der strotzenden Massivität eines Minimoogs kann Oscar nicht bestehen. Trotzdem, er überlebt unsanfte Schläge im rauhen Live-Betrieb.

Das Keyboard

Das drei-oktavige Keyboard lässt sich sauber spielen. Kein lappriger Anschlag, sondern wirklich guter Druckpunkt. Bei Oscar ist es nicht bloß zum Spielen da. Die Tasten sind in verschiedene Bereiche eingeteilt und nummeriert. Im Edit-Mode besitzen sie nämlich ganz bestimmte und, je nach Mode, wechselnde Funktionen. Durch gleichzeitiges Drücken einer bestimmten Tasten und Push-Button-Kombination kann man Sound-, Sequence- und Kurvenform- Presets anwählen sowie Kurvenformen synthetisieren, die Oszillatoren stimmen oder Sequenzen eingeben oder editieren. Am Keyboard gibt’s noch ein Pitch- und ein Modulation- Wheel. Neben den Wheels zwei Push-Buttons, mit denen sich die Fußlage des Keyboards Step-By-Step ändern lässt.

Oszillatorsektion

Oscar hat zwei Oszillatoren mit jeweils drei Kurvenformen: Dreieck, Sägezahn und Rechteck. Dann gibt ’s noch ein Rechteck mit wählbarer ‚fixed‘ Pulsweite und eines mit dreieckmodulierter Pulsweite. Natürlich gibt’s auch Noise. Das ist aber noch lange nicht alles. Neben diesen altbekannten Waveforms hat man noch 5 Preset-Waveforms zur Verfügung: Full Organ, Harpsichord, Strang Lead, Double Pulse und Triple Pulse. Und dann lassen sich, wie gleich zu sehen, 5 weitere Waveforms selbst programmieren und auf die bei den Oszillatoren legen. Oscar nutzt hierzu das Verfahren der additiven Klangsynthese, und das ist bei einem Synthi in dieser Preisklasse neu. Wie bei einer Sinus-Zugriegel- Orgel lassen sich die Waveforms durch Mischen (Addieren), Mastertune und Detune der beiden Oszillatoren auch durch Drücken von entsprechenden Keyboard-Tasten und einem Push-Button einstellen. Mit dem Osc Balance-Regler kann man die bei den Oszillator-Outputs mixen. Ein weiteres Poti regelt das Verhältnis von Noise- und Oszillator- Mastervolume. Mit zwei Potis lässt sich der Einfluss des Modulation- Wheels auf Filter und Oszillator, sowie des Bend-Wheels auf die Oszillatoren regeln.

Sehr umfangreich sind die Glide- Funktionen. Der Glide-Drehschalter besitzt sechs Stellungen für Portamento oder Glissando mit einstellbarer Time oder mit ‚fixed‘ Time. Daneben gibt es noch eine Auto-Stellung.

Filtersektion

Es sind zwei 12 dB Filter vorhanden, die man in Serie oder parallel schalten kann. In Serie sind sie 24 dB steil, parallel hat man 12 dB Filter, deren Cutoff-Frequenz unabhängig voneinander im Bereich von 16 Hz bis 16 kHz regelbar ist. Die Filter lassen sich als High-Pass, Low-Pass oder Band-Pass schalten, sowie als Tracking Filter. Filter wie Oszillator lassen sich vom LFO modulieren, der Dreieck, Sägezahn und Rechteck zur Verfügung stellt.

Envelopes

Zwei getrennte ADSR steuern Filter und Verstärker. Sie können auf die unterschiedlichste Weise gemeinsam oder getrennt vom Keyboard, dem Clock-Oszillator oder extern getriggert werden. Außer dem Stufenschalter für den Trigger-Mode gibt ’s noch den Function-Mode- Schalter. Hier schaltet man zwischen monophonem und duophonem Spiel um, wählt‘ den Arpeggiator an, oder die drei Hold-Funktionen.

Sound

Der Sound des Ganzen ist recht fetzig und erinnerte mich etwas an den Moog-Source. Eben recht gute Bässe, nicht ganz so gewaltig wie einst beim Minimoog, etwas ‚digitaler. Recht gut lassen sich Orgelsounds in allen Varianten erzeugen. Die Presets kann ich nicht beurteilen, da im Testgerät aufgrund eines Transportschadens auf dem Weg aus England alle Memories gelöscht waren.

Sequenzer

Insgesamt haben 12 Sequenzen und 10 Songs im Memory Platz. Jede Sequenz kann maximal 255 Events lang sein, für jeden Song sind bis zu 255 Sequenzen einsetzbar. Ton, Pause, Programmwechselinformation, Repeat-Befehle oder Untersequenzen gelten als Event. Die Repeat-Funktion erlaubt eine beliebige Wiederholung von Sequenzen, wobei die Wiederholung als ein Event gewertet wird.

In den 10 Songs lassen sich auch Voice -Änderungen mit abspeichern. Sequenzen und Songs kann man editieren. Das Einfügen oder Löschen einzelner Events geht einfach.

Der Sequenzer ist eine Art Composer. Die Töne gibt man über das Keyboard ein; sie können gebunden werden. Auch Legatospiel merkt Oscar sich. Pausen markiert man durch Drücken eines Push-Buttons. Es dauert einige Zeit, bis man perfekt mit den 5 Sequenz-Druckschaltern umgehen kann, die je nach Mode diverse Funktionen erfüllen. Im Playback-Mode mit Duo-Trigger kann man zum Playback der Sequenz eine Melodieline auf dem Keyboard spielen. Waveforms, Voices und Sequenzen lassen sich getrennt oder in beliebigen Kombinationen auf Cassette speichern. Also zum Beispiel Waveforms und Voices zusammen, oder Voices und Sequenzen. Sie lassen sich aber immer nur als ganze Sets auf Cassette ausgeben. Die 5 LEDs zeigen jeweils an, ob und was geladen oder gespeichert wird.

An Sounds stehen 24 Presets und beim Testmodell 12 programmierbare Sounds zur Verfügung. Wie aus England zu erfahren war, wird Oscar aber jetzt mit 36 frei programmierbaren Sounds geliefert. Sämtliche Schalter und Potistellungen werden ins Memory mit übernommen. Die Programme ruft man durch Drücken einzelner Sinuskurven unterschiedlicher Frequenz und Amplitude erzeugen. Nur dass hier keine Zugriegel gezogen werden, sondern alles via Elektronik passiert. Im Waveform Edit-Mode sind 24 Keys ebenso viele harmonische Obertöne zugeordnet, die man durch Tastendruck zur Oszillator- Waveform addieren kann. Mehrfacher Druck auf die entsprechende Taste verdoppelt jeweils die Amplitude des entsprechenden Obertones. Die einzelnen Harmonischen lassen sich auch wieder löschen. Klingt alles unheimlich kompliziert? Wirklich, man muss auch etwas üben, bis man die Prozedur kapiert hat und gezielt Waveforms synthetisieren kann. Dann stehen aber Klangbastlern Tür und Tor offen.

Die Fußlage von Oszillator 2 lässt sich von -2 bis +3 Oktaven gegen Oszillator 1 verstimmen. Natürlich gibt’s auch ein Master-Tunepoti. Die Oszillatoren können von 32 bis 2 Fuß gestimmt werden. Fünf LEDs zeigen die Fußlage an. Die gleichen LEDs sind in anderen Programm-Modes für andere Dinge zuständig, man darf sich dadurch anfangs nicht verwirren lassen. Wenn man will, kann man von Push-Button und Keyboardtaste auf. Man kann deshalb Programme nicht wechseln, ohne das Spiel zu unterbrechen.

Oscar ist, wie es sich mittlerweile für einen Digital-Synthi gehört, MIDI-kompatibel. An der Rückwand befinden sich MIDI In, -Out und – Thru. Sonst verfügte mein Prototyp nur über eine Audio-Out und eine kombinierte Trigger /Tape-Memory Buchse. Oscar ist jetzt in Deutschland erhältlich. Sein Preis liegt unter DM 3000,-.

Zusammenfassung

Das Gerät ist super für Sound und Experimental-Freaks, die einen voll speicherbaren Lead- und Effekt- Synthi mit Sequenzer suchen. Es erfordert einige Zeit, bis man alle Features durch hat. Oscar besitzt hervorragende Möglichkeiten der Waveform-Generation für seine beiden Oszillatoren. Die Memories sind, wie schon erwähnt, nach dem Prototyp von 580 auf 1500 Steptime Events für den Sequenzer erweitert worden. Auch wurden die freien Voice-Memories jetzt auf 36 aufgestockt, und das kann sich sehen und hören lassen. Vielleicht hätte man aber anstatt die Tasten des Keyboard mit Schaltfunktionen zu belegen, lieber eine numerische Tastatur eingebaut, wie es ja auch PPG nach einem missglückten, ähnlichen Versuch mit dem Wave 360 machte. Fazit: Absolut super für Hardcore Synthi-Freaks, ansonsten hätte der Oscar getrost einige Jahre früher auf. den Markt kommen können.

Gottfried Richards

April 1985 SOUND CHECK 47

IMA Internationale MIDI Association – Artikel von Richard Aicher für 64er Magazin, September 1985

IMA, die Internationale MIDI Association bietet Mitgliedschaft an

Alle an der Entwicklung des MIDI-Systems Interessierte, können in der International Midi Association (IMA) Mitglied werden. Die IMA ist eine nichtkommerzielle Einrichtung. Sie verfügt über sämtliche Informationen zum aktuellen Stand des MIDI-Geschehens. Die Gesellschaft versucht, ein weltweites Forum des Gedankenaustausches zu sein. Die Mitglieder unterteilt man in drei Gruppen: Hersteller, Händler und Anwender. Für jede Kategorie werden spezifisch zugeschnittene Informationen angeboten.

Der Mitgliedsbeitrag beläuft sich für Anwender auf jährlich 40 Dollar, zuzüglich 5 Dollar Postgebühren. Dafür erhält man das »MIDI Specification Manual« kostenlos. Diese Fundgrube für MIDI-Technik-Freaks kann man auch als Nichtmitglied, zum Preis von 10 Dollar zuzüglich 5 Dollar Postgebühren, beziehen.

Daneben existieren noch eine Reihe anderer interessanter Angebote, die Mitglieder kostenlos oder zumindest ermäßigt erhalten. Zum Beispiel, das monatlich erscheinende »IMA Bulletin« vollgepackt mit den allerneuesten Informationen zum MIDI-Standard, Produktinformationen, Kontaktadressen anderer Mitglieder, Seminarpläne und Termine, der 36 mal jährlich erscheinende »IMA Update Service« und jährlich herausgegebene »IMA Sourcer« mit Nachrichten über MIDI Equipment. 

Detailliertere Informationen bietet die »IMA Membership Information Brouchure«. Diese erhält man über: 

IMA — The International MIDI Association, 8426 Vine Valley Drive, Sun Valley, CA 91352

Richard Aicher

Probleme mit komplexen MIDI-Systemen – Artikel von Richard Aicher für Soundcheck 1986

VON KÜHNEN TRÄUMEN ZUR HARTEN PRAXIS EIN FAZIT

M.I.D.I.! Als ich von der Firma Roland vor etwa 3 1/2 Jahren eine Notiz über eine neue Möglichkeit, Computer und Keyboards zu koppeln, erhielt, fand ich das zwar höchst interessant, aber auch nicht mehr. Nicht in den kühnsten Träumen hätte ich mir damals gedacht, dass dieses System eines Tages, und vor allem in so kurzer Zeit, das gesamte Musikgeschehen total umkrempeln würde.

Instrumente ohne Midi-Anschluss sind heute nur noch schwierig absetzbar, auch wenn längst nicht jeder Musiker Midi tatsächlich einsetzt. Aber warum soll das Gerät, das man kauft, nicht dem modernsten Stand entsprechen? Auf dem Gebraucht- Gerätemarkt werden die Traumteile von einst verschleudert. Da taucht der Mini Moog, für den einst mehr als 6000 Mark auf den Tisch zu blättern waren, für 1200 Mark auf und selbst programmierbare, polyphone Synthesizer ohne Midi kosten mittlerweile nicht mehr viel mehr als 1000 Mark. Genügt ein Jupiter 4, so muss man oft nicht mal mehr 600 Mark auf den Verhandlungstisch legen.

Ein Großteil dieses rapiden Preisverfalles geht sicher auf das Konto Midi. Und sicher werden die Instrumente nur allzuoft zu Unrecht entwertet, denn der Sound der Teile hat sich durch Midi nicht geändert. Ein Mini Moog von einst klingt heute noch genauso bombastisch, und auch der Jupiter 4 hat seine interessanten Eigenheiten. Doch viele Keyboarder sind eben Technik-Freaks und spielen am liebsten mit modernstem Equipment. Trotzdem möchte ich jedem ans Herz legen, sich genau zu überlegen, ob es sich in seinem speziellen Fall auch tatsächlich lohnt, ein altes Teil herzugeben, und dafür ein wesentlich teureres, neues anzuschaffen – das dann eine Midi-Buchse hat. Sicher, Midi ist eine absolut fantastische Sache; und ich könnte mir mein eigenes Equipment nicht mehr ohne Vernetzung vorstellen. Doch nicht jeder benötigt das! Sehr viele Keyboarder sind mit ein oder zwei Keyboards vollauf zufrieden, und die spielen sie von Hand. Das Problem der Koppelung via Midi stellt sich bei ihnen erst gar nicht, ein Sequenzer wird nicht benötigt. Warum also nicht das Equipment behalten, wenn die Sounds o.k. sind? Sich tatsächlich für Midi entscheiden, erfordert dann auch Konsequenz. Sicher, man kann auch durch die bloße Koppelung von zwei Keyboards interessante neue Dimensionen erschließen, auch ein Keyboard in Verbindung mit Computer oder Sequenzer ist schon was. Aber so richtig interessant wird das System erst im Verbund von vielen Instrumenten, wozu dann leider mindestens ebenso viel Peripherie nötig wird. Und die kostet oft mehr Geld als die Instrumente selbst.

Probleme mit komplexen Systemen

Mit dem richtigen Equipment lässt sich jedoch heute bereits ein voll Computer- oder Sequenzer-gesteuertes Studio realisieren, das letztlich auch die SMPTE-synchrone Vertonung von Film oder Video mit bester Tonqualität ermöglicht. Und das unter Umständen sogar ohne Mehrspurmaschine, mit digitalem Mastering und Midi-gesteuertem Mix‘.

Doch bis dieses Studio steht, wird man einige graue Haare mehr und viele schlaflose Nächte hinter sich gebracht haben! Alles nicht weiter schlimm, denn der bis dahin ins Unermessliche gestiegene Kaffee- und Nikotinverbrauch lässt einen mittlerweile sowieso nicht mehr schlafen, und die grauen Haare bemerkt auch keiner, da man die Welt außerhalb der Studiowände sowieso nur noch kurz vor Ladenschluss beim Kauf neuer Zigaretten, einer neuen Megapackung Kaffee und der aktuellsten Literatur zum Thema Midi registriert.

Langer Rede kurzer Sinn: Die Probleme, die sich beim Aufbau eines reibungslos funktionierenden Systems ergeben, sind gewaltig! Selbst wenn man Tage und Nächte mit dem Lesen von Publikationen zum Thema verbracht hat, brav tagelang mit Bleistift und Papier diverse Möglichkeiten der Verkabelung durchgeknobelt hat, läuft dann in der Praxis doch nie alles perfekt, und in den wenigsten Fällen kommen nach dem ersten Aufbau genau die Daten, in genau der Weise, genau da so an, wie man sich das gedacht hat. Doch glücklicherweise waren die Zubehörfabrikanten auch nicht untätig und haben mittlerweile für so ziemlich jedes Problem, das nur irgendwie auftreten könnte, die passende Hardware oder Software- Lösung parat. Die dann natürlich wieder kostet, aber man ist ja bereit, für das System etwas auszugeben. Doch woher soll man wissen, was man eigentlich benötigt? Midi-Peripherie gibt es nicht in jedem Musikshop zum testen, geschweige denn an jedem Kiosk zu kaufen. Und vielleicht (das soll ja vorkommen) wurde auch gerade das Teil, das die Lösung im eigenen Equipment bedeuten würde, nie in einer Zeitschrift getestet, denn so spezielles Equipment ist oft nur für ganz bestimmte Konfigurationen interessant, die nur wenige Musiker besitzen und damit unter Umständen keinen gesonderten, ausführlichen Test rechtfertigen. Selbst wenn das Teil getestet wurde, kam vielleicht das eine Feature, das man selbst benötigt, im Test nicht eigens zur Sprache. Neben technischem Verständnis ist für Midi-Anwender mit aufwendigen Systemen deshalb ein nicht zu unterschätzender kriminalistischer Spürsinn, eben das gewisse Feeling für die Sache, nie von Nachteil. Wie gesagt, nur wenn es gilt, wirklich komplexe Systeme zu installieren, denn zwei Keyboards midimäßig richtig zusammenzustöpseln, oder Drum Pads an eine Drum- Maschine anzuschließen, das kann mittlerweile auch meine Oma. Nach einigen Monaten ist es dann soweit! Die gesamte Anlage funktioniert perfekt, die Verkabelung stimmt, ein Knopfdruck der erste eingespielte Song fetzt perfekt abgemischt aus den Speakern, keine Taste wird gedrückt, alles erledigt die Technik.

Der Teufel in der Leitung

Und dann hört man es doch! Dieselbe Stelle nochmal abgespielt. Klar, da stimmt etwas nicht. Im dritten Takt klingt es holprig. Die Drums setzen nicht richtig ein. Ein Delay? Ein Datenfehler? Spinnt ein Gerät? Ist ein Kabel defekt? In so hochkomplexen Daten-Systemen gibt es viele Fehlermöglichkeiten. Und wenn man Pech hat, kann man sie nicht mal eliminieren. Dann nämlich, wenn der Teufel bereits im System steckt. Und im Midi-System steckt ein ganz ausgefuchster! Meistens zeigt er sich nie. Das ist am besten. Manchmal verleidet er das System sofort, oft zeigt er sich erst, wenn das Equipment eine gewisse Komplexität erreicht hat, die Songs komplexer werden oder viel mit Midi-Drums gespielt wird.

Es geht um die serielle Datenübertragung. Sicher, jeder weiß, welche Vorteile sie hat, lange Kabel, wenig Leitungen, alles super für die Anwendung. Wenngleich die 180 Grad DIN-Midistecker nach wie vor schlichtweg eine Zumutung für jeden Musiker bedeuten und eigentlich meistens irgendwann Ärger machen. Entweder sind sie verbogen, leiern aus oder die Kabel brechen ab. Aber das steht auf einem anderen Blatt. Das Problem liegt in der seriellen Datenübertragung selbst, die von der Spezifikation 1.0 vorgeschrieben wird. Die Übertragung geschieht Bit für Bit, Wort für Wort, Begriff für Begriff. Die Übertragungsgeschwindigkeit wurde zwar immerhin auf 31.25 kBaud festgelegt, das ist zweimal schneller als die der in der Computerszene weithin verbreiteten RS 232 C Schnittstelle. Man stelle sich nun bitte kurz aber leb-‚ haft vor, welche Datenflut wandern muss, um, voll orchestriert, Beethovens Fünfte mit 16 verschiedenen Midi-Keyboards computergesteuert wiederzugeben. Ab einer gewissen Datenmenge treffen die Signale nicht mehr zur richtigen Zeit an den verschiedenen, angeschlossenen Instrumenten ein. Das Midi-Orchester spielt daneben. Als Midi entwickelt wurde, war dieser Fall undenkbar. Die billigsten Midi- Keyboards kosteten damals mehr als 3000 Mark. Niemand konnte sich fünf oder gar 16 davon leisten. Doch mittlerweile gibt es hervorragende Midi-Keyboards oder Expander in der Preislage ab 700 Mark und ein Ende des Preisrutsches ist nicht abzusehen. Außerdem werden immer mehr Geräte midikompatibel. Das Endziel ist bekannt: Das voll Computer-gesteuerte Midi-Studio. Die zu übertragende Datenflut wächst also immens. Die Grenzen der seriellen Datenüber- /tragung könnten bald erreicht sein! Sicher, man kann sich auch hier helfen, Daten vor-, zurück-, hin- und herschieben, aber das sind eben nur Notbehelfe.

Midi-Drone und Voice Memories

Noch schlimmer wird es, wenn Daten auf der langen Reise durch das Midi-Kabel verzerrt werden und dadurch verloren gehen. Das gibt dann das Trauma jedes Midi- Anwenders, den Midi-Drone. Gerade in älteren Keyboards wurden im Midi Thru- Schaltkreis oft noch relativ langsame Optokoppler eingesetzt, die die Datenbits bei Durchgang nicht unwesentlich verzerren. Schleift man das Signal durch viele Keyboards, bleibt dann halt von manchem Bit nicht mehr genügend über. Und wenn das ein Note Off war, hat man den Salat, sprich den Dauerton. Eine befriedigende Lösung dieser Probleme ist momentan nicht in Sicht. Hierzu wäre auf jeden Fall eine Änderung der Spezifikation nötig.

Manche Hersteller experimentieren mit erhöhten Übertragungsgeschwindigkeiten. Dies wäre vielleicht die unproblematischste Lösung. Sehr viel aufwendiger wäre eine Änderung der Spezifikation in Richtung paralleler Datenübertragung. Das hieße dann, sehr viel bereits bestehende Hardware umzuändern oder zumindest mit Interfaces dem parallelen Standard anzugleichen. Daten aus älteren 1.0 Instrumenten müssten dann erst eine wahre Wandlungsorgie durchlaufen, bis sie endlich irgendwo am Ziel wären.

Wie jeder Anwender weiß, gibt es noch genügend andere Probleme im System. Etwa die nicht ausreichende Normierung der Anzahl und Nummerierung, das heißt, besser: Strukturierung der Programmspeicherplätze von Keyboards. Spätestens hier macht sich nämlich bemerkbar, dass das schönste Midi-System nichts nützt, wenn bestimmte hardwaremäßige Gegebenheiten der Instrumente nicht genormt sind. Und hierzu zählen leider die Voice Memories. Wählt man am Masterkeyboard Programm 4, so erscheinen an den angeschlossenen Instrumenten alle anderen Programme, aber nicht Nr. 4. Und wenn das Keyboard, das man als Masterkeyboard einsetzt, weniger Voice Memories besitzt als ein angeschlossener Expander, dann kann man die restlichen Programme des Expanders vom Masterkeyboard aus gar nicht ansprechen. Und wenn ein angeschlossener Expander oder auch ein Effektgerät weniger Voice Memories besitzen als das Masterkeyboard, dann macht es nicht mehr sehr viel Sinn, die restlichen Programme des Masterkeyboards einzusetzen. Das Instrument mit der niedrigsten Zahl von Voice Memories bestimmt also die maximal zur Verfügung stehenden, korrekt einander zugeordneten System-Voice Memories innerhalb eines Midi-Systems, das ohne Homecomputer und ohne Midi-Control-Computer arbeitet. So wird man also auf bestimmte Marken gedrillt. Klar, verwendet man nur Instrumente eines Herstellers, funktioniert meist alles. Doch dies ist, vor allem für Keyboarder, kompletter Unsinn. Denn jeder Hersteller setzt heute andere Klangsynthese- Methoden ein. FM klingt anders als PD, PD klingt anders als additiv, und additiv klingt anders als subtraktiv synthetisierte Klänge. Gerade die Kombination von Keyboards mit unterschiedlichen Klangsynthese- Methoden macht aber das gewisse Etwas aus, bringt die wünschenswerte Klangvielfalt zu Tage.

Musiker im Computerdschungel

Und wie steht’s mit den Musikern selbst? Wie stehen sie den Möglichkeiten der Computersteuerung gegenüber? Sie klagen! Konnten sie sich einst voll der Musik widmen, hantieren sie heute gezwungenermaßen mit Computertastaturen, nicht bedienerfreundlicher Software, zu kleinen Arbeitsspeichern und zu langsamen Diskettenlaufwerken. Der Preis, selbst Songs in perfekter Qualität im Wohnzimmer produzieren zu können, ist hoch. Die eigentlich ehemals musikerfremde Arbeit nimmt immer größere Dimensionen an. Früher mussten Sounds lediglich programmiert werden. Heute genügen einfache Sounds oft nicht mehr, sie müssen gestackt werden, das heißt zwei, vier oder noch mehr Sounds werden übereinandergelegt und ergeben den Übersound. Midimäßig ein Leichtes. Aber es vergehen Stunden, bis man die optimale Soundkombination gefunden hat.

Die Folge: Die Archivierung im Studio wird immer komplexer; nicht dass nun Bänder geordnet werden müssen, heute sind es Daten. Hunderte von Disketten, selbstverständlich verschiedenster Formate, dazwischen ein Wust .von Tapes mit den Keyboard-Sounds. Wer da nicht Ordnung hält, ist nach einiger Zeit hoffnungslos verloren. Genau wie jemand, der aus 5000 verschiedenen DX-Sounds für einen Song den optimalen aussuchen will.

Trotzdem, das Midi-System lässt sich nicht mehr aufhalten. Und das ist auch gut so. Denn bei allen Nachteilen, die Vorteile überwiegen auf jeden Fall. Das Midi-Studio für Keyboarder ist mittlerweile keine Zukunftsvision mehr. Immer mehr Midi- Studios nehmen den Betrieb auf, und ein Tonstudio ohne gutes Midi-Equipment ist heute bereits veraltet. Doch wo viel Licht, da ist auch viel Schatten. So haben sich in London vor nun gut einem Jahr arbeitslose Studiomusiker in einem Verein „zur Verbannung des Computers aus den Tonstudios“ organisiert. „Der Computer macht uns arbeitslos“, singen sie im Chor. Er spiele nicht nur zu jeder Tages und Nachtzeit, sondern überdies exakter und liefere quasi als Abfallprodukt den perfekten Sound gleich mit. In Verbindung mit modernster Midi- und Sampling-Technik vertreibe er nicht nur die Musiker selbst, sondern den Tonmeister gleich mit. Ihr Protest richtet sich vor allem gegen Schlagzeugcomputer und solche Super-Systeme wie Fairlight und Synclavier.

Sicher ist die Angst etwas übertrieben. Natürliche Instrumente besitzen nach wie vor Klang- und Nuancierungsmöglichkeiten, die ein perfekter Musiker mit Spontaneität und Gefühl in Ausdruck verwandelt, von dem auch das beste Computermusiksystem nur träumen kann. Das wird sich im nächsten Jahrzehnt nicht ändern.

Feature von Richard Aicher, Dezember 1986