Pro 16 MIDI Sequenzer Software von Steinberg Research

Pro 16 MIDI Sequenzer Software von Steinberg Research

Testbericht von Richard Aicher, geschrieben im April 1985

Steinberg Research hat sich mittlerweile bei allen Midi-Musikern einen sehr guten Namen gemacht. Doch die Jungs ruhten sich nicht auf ihren Lorbeeren aus, sondern arbeiteten fleißig. Das Ergebnis: Die neue Pro 16 Midi Sequenzer Software und ein Notenschreiber in Vorbereitung. Gleich vornweg: Der Pro 16 wird den guten Ruf der Firma weiter festigen. Er macht jede Midi Recording Session zum angenehmen Zeitvertreib.

Midi als Philosophie

Für alle, die immer noch nicht wissen, wo der Hase lang läuft: Midi ist nicht bloß ein Wort, sondern eine ganze Philosophie. Ein genormtes Interface macht die Koppelung von Keyboards, Drum Machines und Effektgeräten möglich. Die Instrumente dürfen von verschiedenen Herstellern stammen. Mittlerweile halten sich die meisten an die Midi Spezifikationen. Von einem Keyboard aus lassen sich so mehrere andere steuern. Drum Machines können so mit Sequenzern synchronisiert werden. Expander lassen sich bequem über den Bildschirm programmieren. Ein Homecomputer kann als Zentralcomposer das gesamte Equipment steuern. Voraussetzung sind natürlich midikompatible Geräte, Homecomputer“ Midi-Interfaces und geeignete Software.

Die Pro 16 Software gehört in die Kategorie der Midi Recorder und ist auf den Commodore 64 Computer abgestimmt. Prinzipiell kann man das Ding mit einer 16-Spur Maschine vergleichen. Nur dass hier die Aufnahmen nicht auf Band, sondern zunächst im Computer und dann auf der Diskette gespeichert werden. Natürlich lassen sich mit dem Pro 16 nur Informationen von Keyboards, Drumcomputern oder midikompatiblen Effektgeräten aufnehmen. Ein Mikrofon jedenfalls, lässt sich nicht an diesen Recorder anschließen. Leider sehen die Signal Out-Buchsen diverser Taperecorder genauso aus wie die Midi-Buchsen. Was liegt also für manchen näher, als den Sound des Recorders über ein Midi-Kabel in das Interface zu jagen und mit geeigneter Midi-Recorder Software aufzunehmen? Auch das beste Midi-Interface versteht solche Toninformationen nie. Es kapiert wirklich ausschließlich Steuerinformationen von midikompatiblen Geräten.

Stimmenvielzahl

Die 16 Spuren des Pro 16 können theoretisch beliebig vielstimmig bespielt werden. Praktisch bringt man natürlich nur so viele Stimmen auf jeder Spur unter, wie das angeschlossene Einspielkeyboard spielen kann. Außerdem muss man sich immer im Klaren sein, dass für jede aufgenommene Stimme auch zum Abspielen eine vorhanden sein muss. Hat man meinetwegen drei sechsstimmige Keyboards, kann man zwar hintereinander in 16 Durchgängen 96 Stimmen aufnehmen, davon werden aber nur insgesamt 18 Stimmen wiedergegeben. Die Moral von der Geschieht, will man den konventionellen 16 Spurrecorder völlig durch ein Midi-System ersetzen, bräuchte man theoretisch 16 Instrumente. Das kommt natürlich ziemlich teuer. Doch stellt sich für Keyboarder zumindest heute schon die Frage, ob sieh die Anschaffung eines 16-Spur Taperecorders noch lohnt. Meine Meinung: lieber ’nur‘ ein Achtspurtape kaufen und vom gesparten Geld das Midi-System erweitern. Denn Midi Recording bietet im Vergleich zum konventionellen Taperecording einige wichtige Arbeitserleichterungen.

Das Bedienpanel

Das Bildschirmfoto zeigt das Bedienpanel des Pro 16 Sequenzers. Es bleibt die ganze Recordingsession über das Gleiche. So entfällt Gottseidank nerviges Hin- und Herschalten zwischen verschiedenen Pages. Dafür mussten die Entwickler natürlich sämtliche Funktionen auf dieser einzigen Page unterbringen. Doch keine Angst, nach kurzer Einarbeitung hat man den Pro 16 bald begriffen. Man muss kein Programmierprofi sein, um mit ihm arbeiten zu können.

Ein Farbfernseher oder -monitor erleichtert die Arbeit ungemein. Viele Funktionen zeigt der Pro 16 durch Farbwechsel an. So signalisiert ein roter Bildschirmrand . den Record-, ein grüner hingegen den Playmode. Hat man keine Farbe, tut’s zur Not ‚jedoch auch ein Schwarz/Weiß-Gerät. Die Bedienpage ist in mehrere Zonen aufgeteilt. Im oberen Bildschirmdrittel sehen wir die Spurentable. Hier können wir die 16 vorhandenen Spuren ein- und ausschalten. Im Play Mode hört man nur die eingeschalteten Spuren. Die Aufnahmen bleiben jedoch auch beim Ausschalten erhalten. Unter der Spurnummer sehen wir das Feld für die

Midi-Kanal-Wahl. Der Midi-Kanal bestimmt, über welches angeschlossene Gerät die Spur im Playmode wiedergegeben wird. Voraussetzung ist natürlich, am angeschlossenen Gerät lässt sich der Empfangskanal einstellen (1-16). Ein Stockwerk unter der Spurentable, die Informationszeile. Hier schreibt der Pro 16 jeweils im Klartext in welcher Bedienfunktion wir uns befinden, und auf welchen Parameter der zugehörige Wert gesetzt ist. Auch Bedienfehler werden hier angezeigt. Darunter die Funktionstable. Hier bestimmen wir, welche Sequenz bearbeitet wird, Tempo (TMP), die Länge der Sequenz (LEN) den Takt (TMSIGNTR) und die Quantisierung der Autokorrektur. Sie lässt sich von 1/4 bis 1/96 (Realtime) wählen. Auch Triolen lassen sich korrigieren. Gibt man etwa den Wert 16 ein, heißt das, dass alle eingespielten Töne auf die nächstliegende Sechzehntel Note korrigiert werden. So erhält man auch bei ungenauem Spiel exaktes Timing. Je höher die Quantize- Einstellung ist, umso genauer muss man natürlich einspielen. In der Einstellung 96 ist die Quantisierung praktisch unhörbar fein. Dies ist Realtime Mode.

In der Funktionstable bestimmen wir weiterhin, welche der 16 Spuren aufgenommen wird (REC). Im Feld SGL können wir uns für Step‘ By Step-Eingabe oder Einspielen entscheiden. Hier entscheiden wir auch, ob der Pro 16 im Sequenz Mode (zyklisches Abspielen eines kompletten Songs) arbeitet.

Eine Zeile darunter wird der noch freie Speicherplatz (MEM) angezeigt. Daneben:. Taktanzeige (BAR), Stepzähler (NUM) und ein Velocity Display (VEL). Letzteres zeigt die Dynamik des Einspielinstruments. Ganz am unteren Bildschirmrand haben die Steinberg Programmierer einen besonderen Gag plaziert. Eine Art Software Pegelanzeige aller Tracks. Vergleichbar mit den Aussteuerungsinstrumenten eines Taperecorders. So sieht man immer, was auf den einzelnen Tracks gerade los ist. Für jeden Track ist ein separater Balken zuständig.

SYN, TRP – WID?

Zu guter letzt noch die Felder SYN, DSK,TRP und I/C. Keine Angst vor den Kürzeln. Wie schon gesagt, bei Anwahl eines Parameters erscheint es in der Infozeile jeweils im Klartext. Mit SYN bestimmen wir eine der drei möglichen Synchronisationsarten. Der Pro 16 kann intern oder extern synchronisiert werden. Im letzteren Fall zum Beispiel durch einen Drumcomputer (48 Clocks pro Viertel) oder von einer Bandmaschine. Die dritte Möglichkeit ist die Synchronisierung durch die Midi-Clock eines am Eingang des Interfaces angeschlossenen Instruments. In dieser Stellung kann der Pro 16 1″‚“- von diesem Gerät aus gestartet werden. Aufnahme ist in diesem Mode (MID) nicht möglich. In Verbindung mit dem Steinberg Synchroniser hat man noch sehr viel mehr Synchronisationsmöglichkeiten.

DSK steht für Disketten Operationen. Klar, dass man die eingespielten Songs auf Diskette sichern kann. Man sollte sich übrigens, das kann ich nicht oft genug betonen, angewöhnen, Zwischenergebnisse so oft wie möglich auf Diskette zu speichern. Spätestens, wenn man eines Tages durch eine Netzschwankung oder den Schalt funken von Nachbars Kühlschrank, die Arbeit vieler Stunden verloren hat, bereut man, vorher nicht zwischengespeichert zu haben. Ganz Vorsichtige fertigen sogar von jeder Datendiskette eine Sicherheitskopie an. Disketten nehmen nämlich jede unsanfte Behandlung sehr übel und weigern sich dann strikt, ihren Inhalt wiederzugeben. Fatal!

Transponierte Strophen

Der Pro 16 kann komplette Tracks und Sequenzen auf Knopfdruck transponieren. Verschieden transponierte Strophen muss man also nicht mehrfach einspielen. Im Feld TRP gibt man einfach die Anzahl der Halbtonschritte an, die die aktuelle Sequenz nach oben oder unten transponiert werden soll. Insgesamt lassen sich 67 Halbtonschritte von Cl nach oben oder 60 nach unten transponieren. Bleibt noch das letzte Feld, I/C = „Insert Copy Sequenz“, zu besprechen. Die aktuelle Sequenz oder Spur lässt sich hiermit per Knopfdruck auf eine andere freie Sequenz oder Spur kopieren. So baut man gleichbleibende Basistracks schnell in eine neue Sequenz ein. Mit dieser Funktion lässt sich die aktuelle Sequenz auch in die Songtable eingliedern (insert). Am rechten Bildschirmrand schließlich die Songtable. Mit ihr können wir die Sequenzen in bestimmter Reihenfolge verknüpfen (Sequence chain). Insgesamt merkt sich der Pro 16 maximal 64 verschiedene Sequenzen. Vorausgesetzt, der zulässige Speicherbereich wird nicht überschritten. Die Song Kette hat 256 Glieder. Jedes Glied entspricht einem Durchgang einer Sequenz. Im Song Mode arbeitet der Pro 16 die gesamte Kette Sequenz für Sequenz ab. Gibt man eine Null anstelle einer Sequenznummer ein, fasst er das als Stop Signal auf und beendet das Spiel.

Beispiel

Wie geht eine Recording Session vor sich? Als erstes gliedern wir unseren Song in logische Funktionsblöcke, also Intro, verschiedene Strophen, Refrains, Schluss usw. Der Grund: Parts, die mehrfach wiederholt werden, brauchen wir nur einmal einzuspielen. Wir können sie ja im Song Mode in beliebiger Reihenfolge aneinanderketten oder dieselbe Sequenz mehrfach hintereinander abspielen. Die einzelnen Sequenzen nehmen wir im Sequenz Mode auf. Der Pro 16 spielt die Sequenz dann ohne Unterbrechung zyklisch. Wir geben zunächst die Parameter Takt, Tempo, die Länge unserer Sequenz in Takten und den Quantisierungsfaktor vor. Jetzt müssen wir nur noch den Cursor auf das REC-Feld setzen und mit der Funktionstaste F1 die Nummer der aufzunehmenden Spur in dieses Feld tasten. Druck auf die RETURN-Taste gibt jetzt den Startschuss. Der Bildschirm rand wird rosa und aus dem Lautsprecher des angeschlossenen Fernsehers tönen acht gleiche Metronomschläge als Vorzähler. Es werden immer 2 Takte vorgezählt. Mit dem letzten Vorzählschlag wird der Bildschirmrand weiß, das Achtung- Signal gewissermaßen. Dann beginnt automatisch die Aufnahme, der Bildschirm rand ist jetzt rot: Record Mode. Der Pro 16 nimmt die vorbestimmte Anzahl von Takten auf. Aus dem Fernsehlautsprecher hören wir den Metronom-Pieps. Im BAR und NOM Feld erkennen wir im mer, in welchem Takt und an welchem Beat wir uns momentan befinden. Dann wird der Bildschirmrand grün, der Sequenzer wechselt automatisch in den Wiedergabe Modus und spielt unsere Aufnahme wieder ab. Das Kanal on/off Feld der aufgenommenen Spur ist nun weiß geworden. Es signalisiert so, dass sich auf dieser Spur eine Aufnahme befindet. That’s all!

Spurwechsel

Die nächste Spur nehmen wir genauso easy auf. Wir stoppen hierzu den Sequenzer mit der RUN/STOP Taste, wählen im Record-Feld die nächste aufzunehmende Spur, RETURN gedrückt, und das Ganze beginnt von vorne. Die zuvor aufgenommene Spur hören wir natürlich als Playback. Wir können sie aber auch, sofern gewünscht, mit dem on/ off Schalter stumm schalten. So einfach ist das alles. Die Songparameter,Tempo, Time Signature und Taktanzahl lassen sich übrigens auch während des Abspielens bzw. der Aufnahme ändern. Schwierige Passagen, die unsere spieltechnischen Fertigkeiten übersteigen, können wir Step By Step eintippen. In diesem Fall bestimmt der eingestellte Quantize-Wert den Notenwert, den der Pro 16 bei einem Druck auf die Leertaste des Commodore 64 weiterzählt. Die Tonhöhe bestimmen wir wie gewohnt über die Tasten des Keyboards. Pausen erzeugen wir durch ‚Nur ‚-Drücken der Leertaste. Sind wir mit unserer Sequenz zufrieden, geht’s ans Arrangieren. Hier zeigt sich nun, wie vorteilhaft man mit einem Midi System arbeiten kann. Für Taperecorder Freaks bedeutet Neuarrangieren immer gleich Neuaufnahme. Nicht so für uns. Wir können unsere Sequenzen abfahren und nach Herzenslust so lange an den Soundprogrammen rum feilen oder die Tracks von verschiedenen Keyboards spielen lassen, bis alles soundmässig zusammenpasst. Zu guter letzt probieren wir mit der Songtable noch die optimale Verknüpfung der einzelnen Parts aus. Und schneller als gedacht ist der Song im Kasten.

Der Pro 16 besitzt übrigens genau wie ein guter Mixer auch eine Solotaste zum Solo-Hören einzelner Tracks. Sehr praktisch. Durch Drücken der Taste A des Computers wird der Ton Al auf alle Midi-Kanäle ausgegeben. So lassen sich die angeschlossenen Instrumente leicht stimmen.

Zusammenfassung

Midi ist ein Segen für Keyboarder und Studios. Doch das System nützt nichts ohne gute Software. Der Steinberg Pro 16 erfüllt alle Anforderungen an einen guten Midi-Recorder. Er ist leicht zu bedienen, sicher im Umgang und bietet viele Vorteile im Vergleich zur Arbeit mit einem Tape-Recorder. Ein großes Plus: Realtime- und Step By Step- Eingabe sind innerhalb eines Recording Vorgangs gleichzeitig nutzbar. Beim Arbeiten mit dem Sequenzer merkt man sofort, dass hier nicht nur Software produziert wurde, sondern sich Musiker etwas bei der Entwicklung gedacht haben. Die Software kostet ca. 290,- DM. Bei der Verfassung dieses Manuskriptes erfuhr ich, dass in den nächsten Tagen eine Update Version des Pro 16 fertig ist. Die Update Version ermöglicht zusätzlich Punch in/ Punch out, Mixdown durch Festlegen der Velocity-Werte und als Gag am Rande eine Echtzeituhr , die die Länge des Songs auf Minute und Sekunde genau angibt.

Text und Fotos, Richard Aicher, 1985 für SoundCheck