Software aus den USA – Artikel von Richard Aicher für Soundcheck August 1986
Zwischen den USA und unseren Breitengraden liegen Welten. Zumindest, was die Computerszene und vor allem Musiksoftware betrifft. Die Verhältnisse in den Staaten sind in dieser Beziehung nicht mit unseren vergleichbar. Gerade deshalb ist es interessant, den Markt dort etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Vor allem gilt eines: Eine Popularitätsliste der musikalisch interessanten Homecomputer sieht in den USA ganz anders aus als bei uns. Ein Match zwischen Commodore 64 und Apple 11geht bei uns auf jeden Fall zugunsten des Commodore 64 aus. Er ist bei uns ja bekanntlich der Renner unter den „Midicomputern“. Entsprechend viel Software gibt es hier für den Commodore 64. Vergleicht man die Qualität der in Deutschland entwickelten Commodore 64 Software mit der amerikanischen, schneidet letztere relativ schlecht ab. Gleich welche Software man nimmt, Pro 16, Supertrack oder JeIlinghaus Recordingstudio, in den USA gibt es für den Commodore 64 keine qualitativ vergleichbaren Produkte.
Genau das Gegenteil gilt für die Apple- Rechner der IIer-Serie. Sie übertreffen dort den Commodore 64 gemessen an ihrer Popularität um ein Vielfaches. Der Apple wurde in den USA in einer Garage entwickelt und ist auch heute noch in so ziemlich jedem Haushalt vorhanden. Außerdem soll es in den Staaten zirka 25000 (!) verschiedene Programme für diesen Computer geben. Der für Musiker interessante Teil hiervon macht zwar nur einen verschwindend kleinen Prozentsatz aus, aber immerhin. In den USA gibt es vorn Hardware-Musikzusatz (Alpha Syntauri, Sound Chaser, Alf Cards, Dezillionix SoundsampIer) über hervorragende Lehrsoftware zum Erlernen der musikalischen Grundbegriffe, bis hin zu Midi Software so ziemlich alles für diesen Computertyp.
Mac für Studio und Bühne
Nicht nur der Apple 11 ist in den USA sehr viel verbreiteter als bei uns. Für den Apple Macintosh gilt dasselbe. Er steht in den USA so ziemlich in jedem Musikstudio. Die Software, die für ihn angeboten wird, gehört zum Feinsten. Recordingsoftware für den Macintosh verfügt meist über automatische Übersetzung der Einspielung in Bildschirmnotation und kann dann in perfekter Qualität auf Laser-Drucker ausgegeben werden.
Der Mac kann im Livebetrieb und im Studio gleichermaßen gut eingesetzt werden. Er ist wahnsinnig kompakt, und es müssen keine externen Geräte, wie Netzteil, Monitor oder Disk angeschlossen werden. Dies ist alles integriert. Außerdem unterstützt Apple USA im Gegensatz zur deutschen Niederlassung Schüler und Studenten beim Kauf des Macs in Form erheblicher Preisnachlässe. Auch bei kreativ arbeitenden Anwendern, wie Musikern, drückt man schon mal ein Auge zu. Wir können hier nur hoffen, dass sich der Atari ST in nächster Zeit weiter so kräftig wie bisher entwickelt, dafür erhältliche Musiksoftware weiter in Richtung Bildschirmnotation ausgebaut wird. Dann stellt der Atari ST die preisgünstigere Lösung dar. Steinberg’s Twenty-Four zeigt bereits erfreuliche Ansätze in dieser Richtung und kann sich zum momentanen Zeitpunkt durchaus mit mancher Mac-Software messen. Ich bin in dieser Beziehung relativ optimistisch, nicht zuletzt, da Atari Deutschland den midimäßigen Einsatz des ST kräftig unterstützt. So wurden und werden in diversen Deutschen Computershops Midi-Workshops von der Firma Atari organisiert. In diesen soll vor allem Computer-Freaks gezeigt werden, was man aus diesem Rechner musikalisch zum momentanen Zeitpunkt rausholen kann. Diese Workshops sind auf jeden Fall auch für Musiker interessant, die den ST in Verbindung mit Midi-Software mal in Aktion erleben wollen. (In Musik- Shops ist das leider meist nicht möglich.) Jack Tramiel, Atari-Boss in den USA, sagte schon vor der ersten Veröffentlichung des ST in einem Interview, dass er Midi für sehr wichtig hält. Na also, das ist doch was! Interessant ist auch, dass derselbe Tramiel zuvor bei Commodore USA für die Entwicklung des Commodore 64 verantwortlich war, und der ist ja musikalisch für einen Personal Computer hervorragend bestückt (SID-Chip!).
Mit zunehmend stürzendem Preis auf dem Markt der IBM-Kompatiblen wird der – IBM langsam auch bei uns interessanter. In den USA ist der IBM im Vergleich zu Deutschland schon seit langem auch in der Horne-Szene verbreitet. Midi-Software für den IBM kommt deshalb vor allem aus den USA in unsere Breitengrade. Jedoch relativ spärlich. Roland konnte sich erfreulicherweise jetzt dazu entschließen, die MPS Software aus Amerika zu importieren. Ich konnte sie auf dem Original-IBM und einem Epson PC (Kompatibler) testen. Sie lief in beiden Fällen exzellent. Der Epson ist, zumindest was diese Software angeht, voll kompatibel. Andere Kompatible konnte ich leider mangels Zeit bisher nicht auf Eignung für diese Software anchecken. Für Musiker, die einen Computer live einsetzen möchten, könnte der IBM-Portable in Verbindung mit MPS interessant sein. Hierbei handelt es sich um eine sehr kompakte Ausführung des großen Bruders, mit sehr gut lesbarem Mini-Bildschirm. Auch auf diesem läuft, wie ich mich überzeugen konnte, MPS. In den USA soll es sehr viel weitere Musik- und Midi-Software für IBM und Kompatible geben, wie gut Informierte Kreise munkeln. Doch leider ist momentan ausser MPS und M.U.S.E. (Roland) bei uns nichts . erhältlich.
Bekommt man selbst Software aus den USA rüber, lautet oft die Frage? Sicher! Es ist gar nicht schwer. Vorausgesetzt die Firma reagiert! Ich habe testweise 18 Firmen in Amerika um Informationen gebeten. Fünf hiervon haben reagiert und Unterlagen geschickt. Im Folgenden kurz die Facts hierzu.
HybridArts Hybrid Arts-Präsident Bob Moore ist selbst Profi-Toningenieur und Musiker und glaubt, dass Midi die Musik eines Tages in jedes Heim bringen wird. Vielleicht stimmt’s tatsächlich. Die Firma vertreibt Midi-Recording- und Sound-Design- Software für Apple, IBM, die 8-Bit-Ataris 400/600/1s00, 800XL, 1200, 130XE und den 16-Bit-Atari.
Für die 8-Bit-Ataris gibt es zwei verschiedene Recording/ Composer-Programme: Miditrack II und Miditrack III (letzteres arbeitet nur mit dem 130XE mit 128 kByte!). Beide Programme werden inklusive Midimate-Interface, Kabeln und drei Demo-Songs geliefert. Midimate n speichert zirka 3500 Noten, Midimate III etwa 10000. Die Version n lässt sich mit einem ,Upgrade Kit auf die Version III aufrüsten. Beide Systeme arbeiten mit 16 Tracks und erlauben sowohl Realtime-, als auch Septime-Recording, Editing, Transpose und Quantize. Der Song Position Pointer wird gelesen. Miditrack II kostet zirka 349 Dollar (also ca. 800 DM), Miditrack III zirka 374 Dollar (ca. 860 DM). Miditrack II gibt es auch in einer 8-Track- Version für den Commodore 64 (Miditrack C). Diese bietet 16 Sequenzen je Song und eine Song Table mit 24 Steps. Miditrack C kostet mit Interface zirka 349 Dollar (ca. 800 DM), ohne Interface etwa 199 Dollar (ca. 460 DM).
Die Sound Designer nennen sich Midi Patch. Es gibt Versionen für Atari, C64 und IBM-PC zu den Keyboards Yamaha DX/TX, Casio CZ101 und CZ1OOO.DXPatch gestattet die Speicherung von 512, CZ-Patch die Speicherung von 256 Patches per Disk-Seite. Patches lassen sich benennen und neu arrangieren. Preis jeweils zirka 79 Dollar (ca. 185 DM). Für IBM-PCs gibt es ebenfalls sowohl Recordingprogramme (Miditrack PC), als auch Sound Designer (Midipatch) in Versionen für DX/TX- und CZ.Synthesizer.
Interessant auch das Programm HSCORE, das die Eingabe von Noten über die alphanumerische Tastatur des PCs erlaubt. Die fertigen Kompositionen lassen sich editieren und ausdrucken. Preis etwa 195 Dollar (ca. 450 DM).
Für Film und Video ist die PC-Timing- Software MX-1 Film interessant. Sie findet für jede nachträgliche Vertonung das optimale Tempo.
Hybrid Arts bietet auch Software für den Atari ST an: DX-Droid. Hierbei handelt es sich um einen komfortablen Sound- Designer zum Yamaha DX/TX. Das Programm arbeitet gleichzeitig als Soundverwaltung, Sound-Editor mit graphischer sowie numerischer Darstellung der Parameter und der geheimnisvollen Droid-Funktion. Droid generiert eigene DX-Sounds, ausgehend von den einzugebenden alten! Droid kostet etwa 244 Dollar (ca. 760 DM). Auch eine Recording-Software ist angekündigt, Preis zirka 574 Dollar (ca. 1320 DM).
Southwest Music
Die Firma Southworth Music Systems Inc. stellt Software für den Macintosh her. Es handelt sich hierbei um einen professionellen Midi- Recorder / Composer / Patch Librarian namens Total Music. Diese Software wird auch in Deutschland vertrieben (Orgel- Bauer). Total Music ist ein Recorder/Composer und verfügt über Notation und Note Editing. Benötigt wird ein 512 kByte Mac und das Southworth Midi-Interface. Die Speicherkapazität beträgt zirka 50000 Noten. Beim Editieren verringert sich die Kapazität etwas. 99 Sequenzen werden intern verwaltet, jeweils 8 können gleichzeitig wiedergegeben werden. Jede Sequenz kann 999 Takte lang sein. Die Start-Points der Sequenzen sind programmierbar. Events können editiert werden. Zur Korrektur der Einspielungen stehen drei verschiedene Auto Correct Modes zur Verfügung. Total Music registriert Midi Song Position Pointer. Tempowechsel können an jeder Stelle im Takt ausgeführt und gespeichert werden. Die Eingabe der Sequenzen kann wahlweise in Realtime oder Steptime vom alphanumerischen Keyboard aus erfolgen. Die Umwandlung der Midi- Daten in Standard-Notation geschieht automatisch. Der integrierte Bank Loader verwaltet Daten von Yamaha DX/TX sowie Casio CZ Synthesizern, vom OB-Xpander, Roland Juno 106 oder Korg DW8000. Preis 489 Dollar (ca. 1130 DM) inklusive Interface. Das Interface verfügt über zwei Midi Inputs und vier Midi Outs, Sync. Damit kann man gleichzeitig von zwei verschiedenen Midi- Controllern aus einspielen.
Syntech bietet sehr viel verschiedene Musiksoftware für Commodore 64, Apple und IBM. Es gibt Recording/Composer-Programme und Sound Designer/Bank Loader. Die Software nennt sich Studio 1,2,3, je nach Computertyp, also Commodore 64, Apple oder IBM. Es handelt sich hierbei jeweils um ein 8-1rack-Recorder/Composer- Programm. An Hardware erforderlich: 64 kByte und Midi- Interface von Passport, Sequential, Syntech oder Music Data. Die Software verfügt über einen Loop Mode. Weitere Funktionen: Bounce 1racks, 1rack Merge, Sequence/1rack Naming, Cut & Paste im Song Mode, Delay, 14 Velocity Settings, Midi-Merge und einen komfortablen Edit Mode mit Punch In/Out und Locator mit einem Cue Point. Vier Songs haben jeweils auf einer Diskette Platz. Speicherkapazität: 5000 Noten, 24 Sequenzen. Synchronisation: Midi und Roland Sync. Der Preis beträgt zirka 225 Dollar (ca. 520 DM).
Eine etwas abgespecktere Version nennt sich MIDI STUDIO. Dies ist ein Recorder/ Composer mit 8 Sequenzen a 81racks. Bis zu zwölf Sequenzen lassen sich in beliebiger Kombination je Song eingeben. Die Software verfügt über Fast Forward und Fast Rewind, Auto Correct, Live Punch In, Solo oder Mute während des Playbacks. Der Preis beträgt etwa 80 Dollar (ca. 185 DM).
Mit der Software SONG PLAYER lassen sich mit Studio 1aufgenommene Sequenzen in programmierbarer Reihenfolge automatisch abspielen. Die Songliste ist editierbar. Sound Designer und Bank Loader gibt es von Syntech für DX/TX, CZ, JX-8P und Drummaschinen, jeweils für den Commodore 64 oder den Apple IIe.
Für den IBM vertreibt Syntech eine interessante 48-Spur-Software. Es handelt sich um ein Recorder / Composer-Programm mit 32 Sequenzen und 48 1racks je Sequenz sowie umfangreichen Edit-Features. Weitere Features: unbegrenzte Anzahl von Cue Points, Loop-Recording, Midi-Merge, Sync to Tape, Midi-Sync, Steptime Editing aller Midi-Events. Aufnahme von Tempo Changes in Realtime, Mix Down, Punch In/Out, Help Windows und Aufnahme von Song Position Pointer. In einer erweiterten Version gestattet die 48-1rack-PC direkte Aufnahme der Sequenzen auf die laufende Diskette, das heißt, es steht dann die gesamte Disk-Kapazität zur Speicherung der Sequenz zur Verfügung.
In der nächsten Ausgabe des Computer /Miditalks folgen noch einige weitere interessante Midi- und Software-Details aus Amerika. Tschüß, bis dann.
Richard Aicher für SoundCheck im August 1986