Atari 260 ST und Commodore Amiga – Welcher Personal Computer macht das Rennen

Atari 260 ST und Commodore Amiga

Welcher Personal Computer macht das Rennen?

Veröffentlicht im Musikmagazin Soundcheck, Jan. 1986

copyright Richard Aicher

Für Atari habe ich in dieser Zeit viele Workshops für Musiker gemacht. Die bekamen dann vorgeführt wie ein MIDI-System funktioniert und was MIDI alles kann. Das waren damals für die meisten Keyboarder noch relativ unbekannte Sachen. Kinder wie die Zeit vergeht. Auf jeden Fall hatte ich immer mein kompleettes MIDI-RACK mit dabei und die Leute waren schon baff

Bisher war der Commodore 64 der Renner unter den Homecomputern, sofern es um den Einsatz als Midi-Rechner ging. Fiir ihn gibt es die meiste und beste Midi-Software. Mittlerweile ist er jedoch nicht mehr der jüngste. Und die letzten Entwicklungen am Computermarkt läuten für 1986 eine neue Epoche im Bereich des computergesteuerten Midisystem sein. Wird der Commodore64 bald abgelöst?

Ort: Systems München. Zeit: 28. Oktober 85. Die Systems ist eine der größten Computer- undSoftware-Messen der Welt. Sie findet in zweijährigem Turnus statt, und hier wird manche Neuheit erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. In den 28 Hallen voller Monitore, Computer und hochtechnisiertem Zubehör war für uns Musiker insgesamt nur ein Quadratmeter interessant, aber der hatte es in sich. Das waren dieStellflächen mit den zwei Super-Micro-Computern zu noch erschwinglichem Preis und mit uferlosen Perspektiven für musikalische Anwendungen: dem Atari 520 ST+ und dem Commodore Amiga.Der Erste ganz öffentlich, der Zweite ganz geheim, im Container versteckt und nur der Prominenz höchstpersönlich vorgeführt.

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Die Neuen von Atari

Um den lange angekündigten Atari 520ST gab es bereits unzählige Spekulationen, jedoch außer Entwicklungssystemen für Programmierer, keine endgültigen Rechner am Markt. Gottseidank. Denn nun ist eh wieder alles ganz anders als bisher zu lesen. Vorgestellt wurden auf der Systems nun (hoffentlich endgültig) zwei Computer, der 520 ST Plus und der 260 ST. Beide verfügen über ein internes MIDI-Interface mit einem Input und einem Output.

Der 260 ST ist jetzt so ziemlich das, was bisher als 520 ST galt. Er verfügt über den riesigen Arbeitsspeicher von 512 KByte. In diesem Arbeitsspeicher werden Programme und Daten das Midi bzw. Sound Design-Programm, und die eingespielten Sequenzen bzw. erarbeiteten Sound-Einstellungen im Computer abgespeichert. Nur zum Vergleich: derCommodore 64 verfügt über einen Arbeitsspeicher von lediglich 64 Kbyte. Gängige Midi-Software bringt im Commodore 64 zirka 6000 Midi Events unter. ImAtari haben, wie man leicht vermutet, also sehr viel mehr Events Platz. Die Rechnung, 9 facher Arbeitsspeicher bedeutet gleich 9 mal so viele Midi Events, stimmt jedoch nicht ganz. Denn im Arbeitsspeicher des Atari muß außer dem Midiprogramm und den Daten noch das Betriebssystem geladen werden, und das frisst eine ganze Menge des Speicherplatzes weg. Das Betriebssystem ist ein Programm, das dem Computer erst einmal sagt, daß er überhaupt ein Computer ist, und was er alles können soll. Das Betriebssystem des Commodore 64 ist in einem extra Speicherchip getrennt vom Arbeitsspeicher fest eingebrannt. Der Commodore 64 ist normalerweise immer ein Commodore 64. Beim Atari ist das, momentan zumindest, anders. Man muß ihm das Betriebssystem erst von der Diskette aus einflößen. Das hat den Vorteil, daß es durch Updates geändert werden kann. Den Nachteil, das zirka 200 KByte des Arbeitsspeichers verloren gehen. Die Graphik-Auflösung beträgt 640×400 in Schwarz/Weiß. In vier Farben 640×200 und bei 16 Farben noch 320×200 Punkte. Der Atari versteht verschiedene Programmiersprachen wieC, Pascal und Modula2. Letzteres sind Programm -Hochsprachen. Erst mit ihnen kommt der Atari voll zur Blüte. Solche Programme lau-fen viel schneller als Basic-Programme. Die Programmiersprache muß wie das Betriebssystem erst in den Arbeitsspeicher des Rechners geladen werden. Lädt man etwa Basic als Programmiersprache, geht nochmals ein weiterer Teil des Arbeitsspeichers verloren. Im Basic Mode bleiben lediglich noch 60 Kbyte RAM für ein selbstgeschriebenes Programm und die Daten übrig. Das bedeutet nicht mehr die Welt! Als Prozessor wird ein MC 68000 von Motorola eingesetzt. Auch der AppleMacintosh und der Kurzweil arbeiten mit diesem 16/32 Bit Hochleistungsprozessor. Er arbeitet ungleich schneller als der relativ langsame 8 Bit Prozessor des Commodore 64.

Dem schnellen Prozessor verdanken die beiden Ataris denn auch ihm überraschenden Fähigkeiten. Sie stehen im ersten Vergleich zum Apple Macintosh, der immerhin zirka 6000,- DM kostet, nur in wenigen Dingen nach.

Ein Hardwaremäßiger Nachteil der Atari Computer: Sie sind umständlicher aufzubauen, bestehen aus einer Ansammlung von Einzelteilen: dem Netzteil für den Computer, einem für die Diskettenstation, dem eigentlichen Computer, der Diskettenstation und dem Monitor, während im Mac alles in einem einzigen Gehäuse integriert ist. Nicht’s für Live-Musiker.

Im Bedienungskomfort stehen die Ataris dem Macintosh um keinen Deut nach. Die selbe Pull Down Menuetechnik wie der Mac. Programme werden mit der Maus bedient. Man kann die alphanumerische Tastatur vergesset~ Man führt eine sogenannte Maus, ein kleines Kästchen mit zwei Tasten und einem Bewgungssensor untendran auf dem Tisch hin und her, Damit wird der Cursor am Bildschirm an die gewünschte Stelle dirigiert. Ein Knopfdruck, klick die Funktion ist ausgelöst.

Mehrere Ausschnitte eines Programmes können damit gleichzeitig in sogenannten Bildschirm-Fenstern betrachtet werden. Etwa in einem Fenster die Page mit den gewählten Optionen, im zweiten eines mit einem Ausschnitt der Notations-Page und im dritten eines mit der eigentlichen Bedienpage. Alle übersichtlich gleichzeitig am Bildschirm, vier Stück maximal. Diese Fenster lassen sich beliebig am Bildschirm verschieben, ebenfalls mit der Maus und unabhängig voneinander öffnen bzw. schIießen , vergrößern oder verkleinernl.Möglich macht dies die Betriebssoftware GEM.

Der 260 ST kostet zirka um 1300,-. Er kann entweder an einen Monitor oder einen normalen Fernseher angeschlossen werden. Letzterer muß jedoch einen SCART- oder RGB-Eingang haben. Den passenden Schwarzweiß-Monitor SM 124 erhält man von Atari für zirka 600,- DM. Zirka 900,- DM muß man für einen Farbmonitor hinlegen, die Maus kostet zirka 150,- DM.

Der große Bruder

Der große Bruder des Atari 260 ST heißt 520 STi-. Er verfügt über den gigantischen Arbeitsspeicher von 1 MByte, aber keinen SCART-Anschluß, Man kann also nur einen Monitor, nicht aber einen Fernseher anschließen. Sind Basic und Betriebssysteme geladen, bleiben noch 600 KByte Arbeitsspeicher für Daten übrig. Der Arbeitsspeicher lässt sich jedoch auf insgesamt 4 MByte erweitern. Sonst gilt für den 520 ST+ genau das gleiche wie für den 260 ST.

An Software erhält man zum Rechner voraussichtlich eine Textverarbeitung (GEM-Write) , ein Zeichenprogramm (GEM-Draw), Logo und Basic, sowie einen CP/M 2.2 Emtilator. Mit letzterem kann man etwa die Super-Programme Wordstar, Multiplan und dBase II einsetzen. Der Atari 520 ST+ kostet als komplettes System mit Schwarzweiß Monitor nur einige Hundert Mark mehr als das vergleichbare System mit dem 260 ST.

Von Atari werden zu den Rechnern zwei 31/2 Zoll Diskettenstationen angeboten. Eines mit 360 KByte Speicherkapazität für 598- DM. Sie können die Disketten nur einseitig bespielen. Es lassen sich jedoch auch herstellerfremde, aber Shugart-kornpatible Diskettenstationen relativ problemlos anschließen. Nimmt man eine nilt 5 ˝-zoll Format, könnte man auf diese Weise auch mit den zwar weniger praktischen aber nur halb so teuren 5 1/2 zoll Disketten arbeiten. Diese ließen sich dann überdies doppelseitig bespielen.

Ganz neue Perspektiven ergeben sich im Umgang mit einem Festplattenlaufwerk. Das ist eine Art Super-Diskette, fest in einem speziellen Laufwerk eingebaut, auf der die unvorstellbare Datenmenge von 10 MByte, das ist etwa das 6ofache einer Commodore 64 Diskettenseite, Platz hat. So spart man sich das ständige Wechseln der Disketten. Der Nachteil, die Festplatte kann man nicht wechseln. Ist sie voll, heißt es entweder eine neue Festplattenstation dazu-kaufen oder weniger wichtige Sachen wieder löschen . Solche Festplattetilaufwerke kosteten bisher minimal 6.000,- DM. Atari will sie Ende ’85, anschlußfertig unter der Bezeichnung SF 314, für unter 2.000,- Mark auf den Markt bringen. Auf der Festplatte hat man nicht nur sehr viel mehr Platz, sie arbeitet auch zirka dreimal so schnell wie die normalen Laufwerke.

Commodores Antwort

Auch Commodores Amiga brilliert mit im Micro Computer-Bereich bisher einmaligen Graphik-Fähigkeiten. In dieser Beziehung ist er selbst den beiden Ataris nochmals um Einiges überlegen. Der Commodore 64 macht sich hierzu wie ein armseliger Plakatpinsler im Vergleich zu einem Rembrandt aus.

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Der Prozessor ist wiederum ein MC 68000. Daneben verfügt er jedoch noch über drei weitere Co-Prozessoren, die den Hauptprozessor von sämtlichen Routinearbeiten entlasten.

Zwei dieser Zusatzprozessoren sind nur für die Graphik verantwortlich. Bei der Graphik-Benutzeroberfläche handelt es sich genau wie bei den Ataris und dem Macintosh um das von der amerikanischen Softwarefirina Digital Research entwickelte GEM. Die maximale Auflösung beträgt 640×400 Bildpunkte mit 16 Farben. Eine Palette von 4096 Farbschattierungen steht zur Wahl. Je nach Auflösung können bis zu 32 verschiedene Farbtöne gleichzeitig am Bildschirm eingesetzt werden.

Für die Tonerzeugung ist ein dritter Prozessor zuständig. Im ROM des Amiga sind drei spezielle Audio-Control-Routinen, die den Umgang mit den Audio-Channels erleichtem und auch Hüllkurven definierbar machen. Insgesamt stehen vier voneinander unabhängige Sound-Channels zur Verfügung.

Die Sounds werden in sogenannten Sound-Tables in Form von 16 Bit breiten Sound-Bytes abgelegt. Zur Wiedergabe werden sie zyklisch Byte für Byte ausgelesen. So erhält man beliebige Kurvenformen. Die Waveforms der Channels 0, 1 und 2 können jjeweils Amplitude und/oder Frequenz der Waveform der nächsthöheren Channels modulieren. Sounds können auch per Mikrofon aufgenommen und intern digitalisiert und gespeichert werden.

Zur Wiedergabe werden die Sounds intern von digital nach analog rückgewandelt und nach Filterung in einem Low Pass gemischt an zwei Stereo Outputs des Amiga ausgegeben. Jeweils zwei Channels sind auf einen Ausgang gelegt. Der Filter begrenzt jedoch bereits ab 5,5 khz alle höheren Frequenzen. Das erlaubt natürlich kein musikalisch sinnvolles Sampling. Denn abS kHz beginnen viele Sounds ja erst interessant zu werden. Ob dieser Filter abschaltbar ist, ist mir nicht bekannt.

Das Betriebssystem ist in einem separaten ROM mit 192 KByte untergebracht. Es erlaubt, mehrere Programme gleichzeitig laufen zu lassen. Man nennt das auch Multi Tasking. So könnte man beispielsweise gleichzeitig mit einem Score Writer eine Partitur ausdrucken, einem Midi-Recording-Programm aufnehmen und einem Sound Designer Sounds in Realtime vei~indem. Das geht mit den Ataris nicht. Der Witz:Man spart ständiges Absichern von Daten und Neuladen des anderen Programmes. Vier Programme können gleichzeitig vor sich hinarbeiten, jedes in einem eigenen Bildschirmfenster, Das ist beinahe so, als hätte man vier verschiedene Rechner vor sich. IJngeheuere Rechenkapazität ist hierfür Voraussetzung.

In der Grundausstattung verfügt der Amiga mit „nur‘ 256 KByte über zwar weniger Arbeitsspeicher als die Ataris, ist jedoch mit einer einfachen Zusatzspeicherkarte auf 512 KByte und im Endausbau bis maximal 8.5 MByte ausbaubar.

Im Vergleich zu Atari ist der Amiga um einiges teurer. Sein Preis bewegt sich zwischen 5 .000,- und 6.000,- DM. Aus diesem Grund kommt er sicher lediglich für Studios oder gut betuchte Keyboarder in Frage, die mehr auf seine vielfältigen Sampling-Möglichkeiten den besseren internen Sound Chip oder die besseren graphischen Möglichkeiten bzw. Multi Tasking Wert legen. Sofern es einmal Musik-Software dafür geben wird.

Momentan ist in dieser Richtung zumindest hier in Deutschland noch keine Aktivität zu verzeichnen. Doch es fehlt ja auch noch der Computer. In den USA ist der Amiga jedoch bereits am Markt und im späten Frühjahr soll er auch in deutschen Shops auftauchen.

Gegenüberstellung

Klar ist, daß sowohl die Ataris, als auch vor allehi der Amiga völlig neue Möglichkeiten für Musiker anbieten: Riesige Speicher erlauben endlich, nicht nur einen kurzen, sondern mehrere lange Songs im Arbeitsspeicher unterzubringen, die hervorragenden graphischen Fähigkeiten erlauben Notation in einer Qualität auf den Bildschirm zu bringen, wie es bisher in der „Low Cost-Preisklasse“ nur mit dem Macintosh möglich war. Auch im Sampling-Bereich bieten die riesigen Speicherplätze in Verbindung mit der hervorragenden Graphik und Bedienbarkeit enorme Möglichkeiten: sehr lange Sounds abzuspeichern, bequeme Kurvenbearbeitung am Bildschirm, leichtes Editieren. Der Amiga könnte parallel zur Steuerung des Midi-Equipments per Multi Tasking noch taktgenau eine 3-D Realtime-Graphikshow mit Sample-Sounds liefern.

Wie für die meisten Computer gilt jedoch trotz aller Vorzüge leider auch für diese Stars – not born for the show live on stage. Die vielen Einzelteile stehen dem Einsatz im Studio weniger entgegen, als dem auf der Bühne. Ganz abgesehen von den für den rauhen Live-Einsatz nicht konstruierten Plastikgehäusen. Wie sich die beiden Rechner in Zukunft für Musiker entwickeln werden, hängt jedoch in erster Linie von der einst zur Verfügung stehenden Anzahl und Qualität an Musik-Software ab. Der beste Rechner nutzt in Verbindung mit schlechter Software nichts.

Ein Lichtblick: Am Stand der Firma Atari wurde auf der Systems ein Midi-Demo Programm für den Atari gezeigt. Es kam aus demselben Hause Kapehl & Philipp, in dem auch das legendäre Midi-Kompendium, das bisher immer noch einzige fundierte, theoretische Handbüchlein zum Thema Midi-Theorie, entstand. Das Programm soll zur Musikmesse in Frankfurt fertig sein. Auch Steinberg Research arbeitet momen an Midi-Software für den Atari und sicher noch einige mehr. Man kann momentan lediglich in gespannter Hoffnung warten, bis die Computer bei uns erhältlich sind

– und vor allem passende Musik-Software!

Richard Aicher

Erschienen in Soundcheck Musikmagazin, Januar 1986

Commodore SX 64, Artikel von Richard Aicher, für 64er Magazin

SX 64 im Test

Mobilität ist eine Zauberformel, die unser Leben im letzten Jahrzehnt entscheidend beeinflußt hat. Transistorradio, tragbare Stereoanlage, Fernseher, Mobil-Home, wen wundert’s, wenn auch die Computerindustrie, vom Portablefieber erfaßt, mehr und mehr „tragbare“ Mini-, Home- und Personal Computer auf den Markt bringt. Vielleicht gehören in naher Zukunft mit Portables bewaffnete „Hacker“ am Badestrand unter dem Sonnenschirm genauso zum Strandalltag wie heute Familienväter im Kampf mit dem Gummiboot.

Seitdem 1980 Adam Osborne seinen ebenso viel geschmähten wie hochgelobten Osborne 1 vorstellte und damit die Portable-Lawine ins Rollen kam, erschienen zirka 80 bis 100 „Tragbare“ auf dem amerikanischen Markt. In immer neuen Variationen versuchten findige Ingenieure, mehr oder wenig erfolgreich, möglichst viel Hardware auf immer kleinerem Raum und mit immer weniger Gewicht unterzubringen. Auf der Hannovermesse ’83 stellte Commodore erstmals seinen lange angekündigten und mit viel Spannung erwarteten Koffercomputer vor, den Commodore Executive als SX 64 mit Single-Floppy beziehungsweise DX 64 mit Double-Floppy ausgestattet. Auffallend: der eingebaute Farbmonitor. Wäre nicht das Commodore-Firmenemblem untrüglicher Beweis für die Herkunft des Gerätes, hätte ich vom äußeren Erscheinungsbild her nie auf Commodore getippt. Kein Cremeweiß, keine weichen Rundungen. Nein, stahlgrau, eckig, mit blauem Zierstreifen und modernem Design, so präsentiert sich der SX 64 äußerlich (Bild 1).

Nimmt man den Deckel ab, in dem die Tastatur (Bild 2) untergebracht ist, kommen links der 5-Zoll-Farbmonitor und rechts das querliegende Diskettenlaufwerk (5,25 Zoll à 170 KByte, identisch mit der VC 1541) sowie ein Diskettenablagefach (an dieser Stelle befindet sich beim DX 64 das zweite Lauiwerk) zum Vorschein. Rechts daneben eine schmale Klapptüre mit dem ResetKnopf und sieben Einstellreglern (Bild 3). Hiermit können Lautstärke, Kontrast, Helligkeit, Farbsättigung, Rot-Grünbalance sowie der Bildfang eingestellt werden. Die Einstellung ist stabil, und auch nach mehrmaligem Ein- und Ausschalten des Gerätes mußte ich keine Neueinstellung an den Reglern vornehmen. Gott sei Dank, denn die relativ wackeligen Drehregler konnten mich nicht davon überzeugen, ewig halten zu wollen. Die Module kommen oben in den Steckschacht. Ungeheure Stabilität hingegen strahlt der monströse Tragegriff aus, der gleichzeitig auch als Standfuß dient. Hier versuchte man, so scheint mir, das wettzumachen, was bei der Konstruktion des Computer- und Tastaturgehäuses etwas vernachlässigt wurde, die mechanische Stabilität, die bei einem transportablen Computer sicher eine entscheidende Rolle spielt. So klobig der Griff auch optisch wirkt, so gut liegt er beim Transport in der Hand und läßt zumindest die ersten Kilometer Fußmarsch mit dem SX 64 zu einem Kinderspiel werden. Spätestens nach zehn Minuten jedoch beginnen langsam die Armgelenke zu schmerzen. Man merkt das Gewicht von 10 kg und erkennt, daß sich die Portabilität des SX 64 höchstens auf die Strecken Wohnzimmer – Arbeitsraum oder Wohnung – Garage beschränken wird, soll nicht ein Hanteltraining unumgänglicher Bestandteil des Tagesablaufs werden.

Der große Vorteil des „alles in einem Gehäuse-Gerätes“ scheint mir deshalb weniger in der Transportmöglichkeit über längere Strecken zu liegen als in der Tatsache, daß er schnell und ohne Kabelgewirr (das Netzteil ist selbstverständlich eingebaut) betriebsbereit und nach der täglichen Arbeit auch genauso schnell wieder verstaut ist. Mit 5 Zoll Bildschirmdiagonale (13 cm) gestaltet sich die Arbeit jedoch nicht immer zum Vergnügen. Gegen die Farbqualität des Monitors (Bild 4) läßt sich nichts sagen, sie ist hervorragend; ein O von einer Null beziehungsweise die von einer 8 zu unterscheiden, erfordert jedoch viel Einfühlungsvermögen (vergleiche Bild 5). Hier hilft selbst die Brille wenig. Sicher, für die Größe, [die]ser Winzigkeit des Monitors ist die Auflösung ausgezeichnet, aber in diesem Falle wären ein größeres Gehäuse und ein größerer Monitor die bessere Lösung gewesen.

Wer auf dem SX 64 Texte verarbeiten möchte, sollte schon jetzt einen Zusatzmonitor in „Normalgröße“ auf den nächsten Weihnachtswunschzettel schreiben, ein Monitoranschluß ist in der Rückseite vorhanden. So entgeht man auch der Qefahr, sich mitten im schönsten Spiel zu zweit vor dem Bildschirm eine Beule am Kopf zu holen bei dem beidseitigen Versuch, noch näher mit den Augen an den Ort des Geschehens zu kommen. Kurz und gut, besten Gewissens kann ich den eingebauten Monitor nur als Kontrollmonitor empfehlen.

Großes Lob verdienen die 66 Tasten in QWERTY-Anordnung. Die Tastatur stellt gleichzeitig den Deckel des Computers dar. Abgeklappt kann sie, freibeweglich und nur mit einem Verbindungskabel von zirka 50 cm Länge mit dem Gehäuse verbunden, bedient werden. Mit 3 cm Bauhöhe kann man sie im Vergleich zur 8032 SK-Tastatur getrost als für Commodore-Verhältnisse superflach bezeichnen. Commodore vermied Experimente und übernahm das Konzept des vielfach bewährten und beliebten C 64 fast vollständig in den SX 64. Bis auf die ergonomisch bessere Formgebung mit schöner gerundeten Tasten unterscheidet sich die Tastatur weder in Belegung noch Anzahl der Tasten von der des Commodore 64. Das Verbindungskabel Computer/Tastatur erscheint sehr robust. Etwas unpraktisch: Die Steckbuchse an der Unterseite des Tragbaren, die den Kabelstecker aufnimmt, ist in einem Schacht verborgen und dadurch etwas schwer zugänglich. Sehr instabil erscheinen mir die Plastik-Schnappvorrichtungen am Tastaturgehäuse, mit denen dieses am Gehäuse befestigt wird. Sie verklemmten sich bei meinem Gerät nach einem Transport prompt und ich stand alle Ängste aus, die Tastatur nur mit Bruch wieder vom Gehäuse loszubringen.

Auf der Oberseite des Gehäuses ist ein durch Federklappen geschützter Expansionport, das heißt, ein Steckplatz für Module, zum Beispiel das IEEE488-Interface, Spiele und so weiter. In diesen Steckplatz passen alle für den C 64 bestimmten Module. Über das IEEE-488-Interface ist die gesamte Peripherie der 4000er und 8000er Systeme anschließbar. Ein neues Steckmodul, das in diesen Tagen erhältlich sein soll, und austauschbare Tastenkuppen ermöglichen die Umrüstung der 64-Tastatur auf den deutschen Zeichensatz.

Auf der Rückseite des Gehäuses befinden sich die Peripherieanschlüsse (Bild 6):

  • Die DIN-Buchse für den Audio- und Videoausgang.
  • Ein serieller Bus zum Anschluß für das Diskeffenlaulwerk VC 1541 und/oder Drucker 1525, MPS 801, VC 1526 beziehungsweise den Plotter VC 1520.
  • Der Userport als frei programmierbare 8-Bit-parallel-Schnittstelle. Durch entsprechende Programmierung als RS232-Schnittstelle verwendbar.
  • Zwei Anschlüsse für Joysticks.

Im Inneren des Computers befindet sich die modifizierte Rechnerplatine des C 64, aufgeteilt auf zwei Platinen, sowie die modifizierte Platine der Floppy VC 1541 und ein 8-cm-Lautsprecher, der befriedigende Klangergebnisse erzielt. Die im Gehäuseinneren erzeugte Wärme wird über die Lüftungsschlitze genügend abgeleitet, auch nach einem Dauerbetriebstest von 48 Stunden erwärmte sich der SX 64 nur unwesentlich.

Genau wie der C 64 arbeitet auch der SX 64 mit der 8-Bit-MOS-CPU 6510 aus der Familie 65xx, bei einem Systemtakt von 985248 kHz [Anm. d. Erfassers: Tatsächlich sind es natürlich 985248 Hz oder 985,248 kHz oder 0,985 MHz]. Der Speicher verfügt über 64 KByte RAM, wovon in Basic 38 KByte für Programm und Variablen verfügbar sind. 52 KByte können hiervon für den Einsatz von Maschinensprache oder ladbaren Programmiersprachen genutzt werden. In 20 KByte ROM sind das Betriebssystem, der Basic-Interpreter und die I/O-Routinen untergebracht. Da der 6510 als 8-Bit-Prozessor selbst nur einen Adreßraum von 64 KByte verwalten kann, der vom RAM selbst belegt ist, bestand das Kunststück darin, mittels zusätzlicher Logik eine sinnvolle Verwaltung der sich teilweise überlappenden Speicherbereiche auszuklügeln. Hier kam Commodore der glückliche Umstand zugute, über eine eigene Halbleiterfabrikation, nämlich der Tochterfirma MOS zu verfügen. Ein speziell entwickeltes „Adress Manager IC“ (FPLA, Field programmable Logic Array) übernimmt diese komplizierte Aufgabe. Auch der Prozessor selbst sowie das Sound-IC, das SID 6581 (ebenfalls ein Peripherie-Baustein der 65xx-Familie) sowie der Videocontroller VIC, der Schlüssel zur hochauflösenden Grafik, gehen auf das Konto der MOS-Entwicklungsingenieure.

Der SX 64 benutzt genau wie der C 64 das Commodore-Basic V 2.0 und ist maschinensprachekompatibel zum 6502. Es können jedoch auch andere Programmiersprachen wie zum Beispiel Pascal, Comal, Pilot, Assembler und Logo geladen werden. Das Basic-ROM wird dann abgeschaltet, und es stehen 20 KByte für die Programmiersprache und den Arbeitsspeicher zur Verfügung.

Das Basic des SX 64 ist identisch mit dem des C 64. Da das V 2.0-Basic in der Literatur bereits zur Genüge abgehandelt wurde, möchte ich an dieser Stelle nicht mehr näher darauf eingehen.

SX 64-Einsteiger brauchen sich über ein mangelndes Angebot an Software keine Gedanken machen, der C 64 hat hier Basisarbeit geleistet. Auch Literatur existiert mittlerweile in Hülle und Fülle. Ohne diese kommt der ernsthafte SX 64-User sowieso nicht aus. Das Bedienungshandbuch ist im Vergleich zum C 64-Handbuch zwar sehr ausführlich, doch viele wichtige Dinge bleiben auch hier wieder unerwähnt oder werden nur dürftig am Rande behandelt. Unverständlicherweise gerade die Bereiche, die den SX 64 interessant machen, nämlich die Erzeugung von Sprites sowie die Möglichkeiten der hochauflösenden Grafik und der Klangerzeugung mit dem SID 6581. Vergebens suchte ich im englischen Handbuch, das mir vorlag, nach dem Befehl, der in den hochauflösenden Grafik-Mode führt. Auch die interessantesten Möglichkeiten des wirklich hervorragenden SID-Chips, nämlich Ringmodulation, Synchronisation und Filterung bleiben gänzlich unerwähnt.

Im hochauflösenden Grafikmodus können 64000 (320 x 200) einzelne Bildschirmpunkte (Pixels) angesprochen werden. Nach dem Einschalten durch POKE 53265,59:POKE 53272,24 können die einzelnen Bildschirmpunkte mittels POKE x,y gesetzt und mittels POKE x,0 wieder gelöscht werden. Jeder Adresse entspricht hierbei eine Zeile von acht Bildschirmpunkten. Je nachdem, welche Punkte nun gesetzt werden sollen, setzt man den zugehörigen n-Wert in nachfolgender Formel gleich Null und bildet die Summe [Anm. d. Erfassers: Natürlich muß n für einen gesetzten Punkt gleich Eins gesetzt werden].
Formel: y=n^7 + n^6 + n^5 + n^4 + n^3 + n^2 + n^1 + n^0
[Anm. d. Erfassers: Die Formel ist leider auch Kappes, es müßte eigentlich y=n[7]*2^7 + … + n[0]*2^0 heißen, wobei die n’s natürlich jeweils pro Punkt verschieden sind, daher die Indizierung]
wobei nun der Summenwert y den zu pokenden Wert darstellt. Ein kleines Beispiel soll dies verdeutlichen (Bild 7):

Diese drei Punkte lassen sich mittels POKE 8192,128+16+8, also POKE 8192,152 setzen. So einfach ist das also. Im Blockgrafik-Modus stellt der Bildschirmspeicher (Adressen 1024 bis 2023) 25 Zeilen und 40 Spalten in einer 8 x 8-Punktematrix zur Verfügung.

Für Farbe im tristen Alltag sorgt der Farbspeicher ebenfalls mit 1000 Bildpunkten (Adressen 55296 bis 56295). An Farben stehen Schwarz, Weiß, Rot, Türkis, Violett, Grün, Blau, Gelb, Orange, Braun, Hellrot, drei verschiedene Grauwerte, Hellgrün und Hellblau zur Auswahl (Bild 8). Die tausend Farbpunkte stellen den inneren Bildschirmbereich dar. Darüber hinaus existiert noch ein zweiter Bildschirmbereich, der Rahmen, der unabhängig vom inneren Bereich mit denselben 15 Farben eingefärbt werden kann.

Bewegung ins Bild bringen die vom Benutzer frei definierbaren Sprites, Figuren in hochauflösender Grafik, maximal 24 x 21 Punkte groß, die über POKE-Befehle erstellt werden. Maximal acht Sprites dürfen gleichzeitig auf dem Bildschirm bewegt werden.

Klänge in den Raum posaunt der SX 64 mit Hilfe des SID 6581, eines kompletten dreistimmigen Synthesizers mit drei Wellenformen (Dreieck, Sägezahn und Pulswelle) je Stimme. Drei Hüllkurvengeneratoren regeln für jede Stimme einen separaten Lautstärkeverlauf der Töne. Rauschgenerator, Filter, Ringmodulator, das, wovon manch großer Synthesizer träumt, ist vorhanden. So verwundert es nicht, daß in jüngster Zeit immer mehr Musiksoftware angeboten wird, die den C 64 beziehungsweise SX 64 in ein „Musikinstrument“ mit vielfältigen Möglichkeiten verwandeln.

Fazit

Interessant ist der SX 64 für alle, die viel unterwegs sind und ohne Computer nicht auskommen wollen oder aber ihren Computer auch zu Hause oft auf- und abbauen müssen. Leider besitzt der SX 64 keinen Akkuanschluß, so daß er eigentlich kein Portable im wahrsten Sinne des Wortes ist. Die Schwachstelle am Ganzen: der Bildschirm. Eine Nummer größer wäre in diesem Falle sicher besser gewesen, dafür hätte wohl jeder ein etwas größeres Gehäuse in Kauf genommen. Besonderes Lob verdienen die Tastatur, die ein ermüdungsfreies Arbeiten auch über einen längeren Zeitraum ermöglicht, und das ansprechende Design des Gehäuses. Ein weiteres großes Plus: die völlige Kompatibilität zum C 64 (die Programmodule werden oben eingesteckt; siehe Bild 9) sowie die Möglichkeit, nach Einbau der CP/M-Karte auf das große Angebot an CP/M-Software zurückgreifen [zu] können, auch wenn bisher nur wenige Programme, die unter CP/M laufen, auf das Commodore-Diskettenformat umgeschrieben wurden.

Hier originalmanuskript Richard Aicher