Atari 260 ST und Commodore Amiga – Welcher Personal Computer macht das Rennen

Atari 260 ST und Commodore Amiga

Welcher Personal Computer macht das Rennen?

Veröffentlicht im Musikmagazin Soundcheck, Jan. 1986

copyright Richard Aicher

Für Atari habe ich in dieser Zeit viele Workshops für Musiker gemacht. Die bekamen dann vorgeführt wie ein MIDI-System funktioniert und was MIDI alles kann. Das waren damals für die meisten Keyboarder noch relativ unbekannte Sachen. Kinder wie die Zeit vergeht. Auf jeden Fall hatte ich immer mein kompleettes MIDI-RACK mit dabei und die Leute waren schon baff

Bisher war der Commodore 64 der Renner unter den Homecomputern, sofern es um den Einsatz als Midi-Rechner ging. Fiir ihn gibt es die meiste und beste Midi-Software. Mittlerweile ist er jedoch nicht mehr der jüngste. Und die letzten Entwicklungen am Computermarkt läuten für 1986 eine neue Epoche im Bereich des computergesteuerten Midisystem sein. Wird der Commodore64 bald abgelöst?

Ort: Systems München. Zeit: 28. Oktober 85. Die Systems ist eine der größten Computer- undSoftware-Messen der Welt. Sie findet in zweijährigem Turnus statt, und hier wird manche Neuheit erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. In den 28 Hallen voller Monitore, Computer und hochtechnisiertem Zubehör war für uns Musiker insgesamt nur ein Quadratmeter interessant, aber der hatte es in sich. Das waren dieStellflächen mit den zwei Super-Micro-Computern zu noch erschwinglichem Preis und mit uferlosen Perspektiven für musikalische Anwendungen: dem Atari 520 ST+ und dem Commodore Amiga.Der Erste ganz öffentlich, der Zweite ganz geheim, im Container versteckt und nur der Prominenz höchstpersönlich vorgeführt.

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Die Neuen von Atari

Um den lange angekündigten Atari 520ST gab es bereits unzählige Spekulationen, jedoch außer Entwicklungssystemen für Programmierer, keine endgültigen Rechner am Markt. Gottseidank. Denn nun ist eh wieder alles ganz anders als bisher zu lesen. Vorgestellt wurden auf der Systems nun (hoffentlich endgültig) zwei Computer, der 520 ST Plus und der 260 ST. Beide verfügen über ein internes MIDI-Interface mit einem Input und einem Output.

Der 260 ST ist jetzt so ziemlich das, was bisher als 520 ST galt. Er verfügt über den riesigen Arbeitsspeicher von 512 KByte. In diesem Arbeitsspeicher werden Programme und Daten das Midi bzw. Sound Design-Programm, und die eingespielten Sequenzen bzw. erarbeiteten Sound-Einstellungen im Computer abgespeichert. Nur zum Vergleich: derCommodore 64 verfügt über einen Arbeitsspeicher von lediglich 64 Kbyte. Gängige Midi-Software bringt im Commodore 64 zirka 6000 Midi Events unter. ImAtari haben, wie man leicht vermutet, also sehr viel mehr Events Platz. Die Rechnung, 9 facher Arbeitsspeicher bedeutet gleich 9 mal so viele Midi Events, stimmt jedoch nicht ganz. Denn im Arbeitsspeicher des Atari muß außer dem Midiprogramm und den Daten noch das Betriebssystem geladen werden, und das frisst eine ganze Menge des Speicherplatzes weg. Das Betriebssystem ist ein Programm, das dem Computer erst einmal sagt, daß er überhaupt ein Computer ist, und was er alles können soll. Das Betriebssystem des Commodore 64 ist in einem extra Speicherchip getrennt vom Arbeitsspeicher fest eingebrannt. Der Commodore 64 ist normalerweise immer ein Commodore 64. Beim Atari ist das, momentan zumindest, anders. Man muß ihm das Betriebssystem erst von der Diskette aus einflößen. Das hat den Vorteil, daß es durch Updates geändert werden kann. Den Nachteil, das zirka 200 KByte des Arbeitsspeichers verloren gehen. Die Graphik-Auflösung beträgt 640×400 in Schwarz/Weiß. In vier Farben 640×200 und bei 16 Farben noch 320×200 Punkte. Der Atari versteht verschiedene Programmiersprachen wieC, Pascal und Modula2. Letzteres sind Programm -Hochsprachen. Erst mit ihnen kommt der Atari voll zur Blüte. Solche Programme lau-fen viel schneller als Basic-Programme. Die Programmiersprache muß wie das Betriebssystem erst in den Arbeitsspeicher des Rechners geladen werden. Lädt man etwa Basic als Programmiersprache, geht nochmals ein weiterer Teil des Arbeitsspeichers verloren. Im Basic Mode bleiben lediglich noch 60 Kbyte RAM für ein selbstgeschriebenes Programm und die Daten übrig. Das bedeutet nicht mehr die Welt! Als Prozessor wird ein MC 68000 von Motorola eingesetzt. Auch der AppleMacintosh und der Kurzweil arbeiten mit diesem 16/32 Bit Hochleistungsprozessor. Er arbeitet ungleich schneller als der relativ langsame 8 Bit Prozessor des Commodore 64.

Dem schnellen Prozessor verdanken die beiden Ataris denn auch ihm überraschenden Fähigkeiten. Sie stehen im ersten Vergleich zum Apple Macintosh, der immerhin zirka 6000,- DM kostet, nur in wenigen Dingen nach.

Ein Hardwaremäßiger Nachteil der Atari Computer: Sie sind umständlicher aufzubauen, bestehen aus einer Ansammlung von Einzelteilen: dem Netzteil für den Computer, einem für die Diskettenstation, dem eigentlichen Computer, der Diskettenstation und dem Monitor, während im Mac alles in einem einzigen Gehäuse integriert ist. Nicht’s für Live-Musiker.

Im Bedienungskomfort stehen die Ataris dem Macintosh um keinen Deut nach. Die selbe Pull Down Menuetechnik wie der Mac. Programme werden mit der Maus bedient. Man kann die alphanumerische Tastatur vergesset~ Man führt eine sogenannte Maus, ein kleines Kästchen mit zwei Tasten und einem Bewgungssensor untendran auf dem Tisch hin und her, Damit wird der Cursor am Bildschirm an die gewünschte Stelle dirigiert. Ein Knopfdruck, klick die Funktion ist ausgelöst.

Mehrere Ausschnitte eines Programmes können damit gleichzeitig in sogenannten Bildschirm-Fenstern betrachtet werden. Etwa in einem Fenster die Page mit den gewählten Optionen, im zweiten eines mit einem Ausschnitt der Notations-Page und im dritten eines mit der eigentlichen Bedienpage. Alle übersichtlich gleichzeitig am Bildschirm, vier Stück maximal. Diese Fenster lassen sich beliebig am Bildschirm verschieben, ebenfalls mit der Maus und unabhängig voneinander öffnen bzw. schIießen , vergrößern oder verkleinernl.Möglich macht dies die Betriebssoftware GEM.

Der 260 ST kostet zirka um 1300,-. Er kann entweder an einen Monitor oder einen normalen Fernseher angeschlossen werden. Letzterer muß jedoch einen SCART- oder RGB-Eingang haben. Den passenden Schwarzweiß-Monitor SM 124 erhält man von Atari für zirka 600,- DM. Zirka 900,- DM muß man für einen Farbmonitor hinlegen, die Maus kostet zirka 150,- DM.

Der große Bruder

Der große Bruder des Atari 260 ST heißt 520 STi-. Er verfügt über den gigantischen Arbeitsspeicher von 1 MByte, aber keinen SCART-Anschluß, Man kann also nur einen Monitor, nicht aber einen Fernseher anschließen. Sind Basic und Betriebssysteme geladen, bleiben noch 600 KByte Arbeitsspeicher für Daten übrig. Der Arbeitsspeicher lässt sich jedoch auf insgesamt 4 MByte erweitern. Sonst gilt für den 520 ST+ genau das gleiche wie für den 260 ST.

An Software erhält man zum Rechner voraussichtlich eine Textverarbeitung (GEM-Write) , ein Zeichenprogramm (GEM-Draw), Logo und Basic, sowie einen CP/M 2.2 Emtilator. Mit letzterem kann man etwa die Super-Programme Wordstar, Multiplan und dBase II einsetzen. Der Atari 520 ST+ kostet als komplettes System mit Schwarzweiß Monitor nur einige Hundert Mark mehr als das vergleichbare System mit dem 260 ST.

Von Atari werden zu den Rechnern zwei 31/2 Zoll Diskettenstationen angeboten. Eines mit 360 KByte Speicherkapazität für 598- DM. Sie können die Disketten nur einseitig bespielen. Es lassen sich jedoch auch herstellerfremde, aber Shugart-kornpatible Diskettenstationen relativ problemlos anschließen. Nimmt man eine nilt 5 ˝-zoll Format, könnte man auf diese Weise auch mit den zwar weniger praktischen aber nur halb so teuren 5 1/2 zoll Disketten arbeiten. Diese ließen sich dann überdies doppelseitig bespielen.

Ganz neue Perspektiven ergeben sich im Umgang mit einem Festplattenlaufwerk. Das ist eine Art Super-Diskette, fest in einem speziellen Laufwerk eingebaut, auf der die unvorstellbare Datenmenge von 10 MByte, das ist etwa das 6ofache einer Commodore 64 Diskettenseite, Platz hat. So spart man sich das ständige Wechseln der Disketten. Der Nachteil, die Festplatte kann man nicht wechseln. Ist sie voll, heißt es entweder eine neue Festplattenstation dazu-kaufen oder weniger wichtige Sachen wieder löschen . Solche Festplattetilaufwerke kosteten bisher minimal 6.000,- DM. Atari will sie Ende ’85, anschlußfertig unter der Bezeichnung SF 314, für unter 2.000,- Mark auf den Markt bringen. Auf der Festplatte hat man nicht nur sehr viel mehr Platz, sie arbeitet auch zirka dreimal so schnell wie die normalen Laufwerke.

Commodores Antwort

Auch Commodores Amiga brilliert mit im Micro Computer-Bereich bisher einmaligen Graphik-Fähigkeiten. In dieser Beziehung ist er selbst den beiden Ataris nochmals um Einiges überlegen. Der Commodore 64 macht sich hierzu wie ein armseliger Plakatpinsler im Vergleich zu einem Rembrandt aus.

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Der Prozessor ist wiederum ein MC 68000. Daneben verfügt er jedoch noch über drei weitere Co-Prozessoren, die den Hauptprozessor von sämtlichen Routinearbeiten entlasten.

Zwei dieser Zusatzprozessoren sind nur für die Graphik verantwortlich. Bei der Graphik-Benutzeroberfläche handelt es sich genau wie bei den Ataris und dem Macintosh um das von der amerikanischen Softwarefirina Digital Research entwickelte GEM. Die maximale Auflösung beträgt 640×400 Bildpunkte mit 16 Farben. Eine Palette von 4096 Farbschattierungen steht zur Wahl. Je nach Auflösung können bis zu 32 verschiedene Farbtöne gleichzeitig am Bildschirm eingesetzt werden.

Für die Tonerzeugung ist ein dritter Prozessor zuständig. Im ROM des Amiga sind drei spezielle Audio-Control-Routinen, die den Umgang mit den Audio-Channels erleichtem und auch Hüllkurven definierbar machen. Insgesamt stehen vier voneinander unabhängige Sound-Channels zur Verfügung.

Die Sounds werden in sogenannten Sound-Tables in Form von 16 Bit breiten Sound-Bytes abgelegt. Zur Wiedergabe werden sie zyklisch Byte für Byte ausgelesen. So erhält man beliebige Kurvenformen. Die Waveforms der Channels 0, 1 und 2 können jjeweils Amplitude und/oder Frequenz der Waveform der nächsthöheren Channels modulieren. Sounds können auch per Mikrofon aufgenommen und intern digitalisiert und gespeichert werden.

Zur Wiedergabe werden die Sounds intern von digital nach analog rückgewandelt und nach Filterung in einem Low Pass gemischt an zwei Stereo Outputs des Amiga ausgegeben. Jeweils zwei Channels sind auf einen Ausgang gelegt. Der Filter begrenzt jedoch bereits ab 5,5 khz alle höheren Frequenzen. Das erlaubt natürlich kein musikalisch sinnvolles Sampling. Denn abS kHz beginnen viele Sounds ja erst interessant zu werden. Ob dieser Filter abschaltbar ist, ist mir nicht bekannt.

Das Betriebssystem ist in einem separaten ROM mit 192 KByte untergebracht. Es erlaubt, mehrere Programme gleichzeitig laufen zu lassen. Man nennt das auch Multi Tasking. So könnte man beispielsweise gleichzeitig mit einem Score Writer eine Partitur ausdrucken, einem Midi-Recording-Programm aufnehmen und einem Sound Designer Sounds in Realtime vei~indem. Das geht mit den Ataris nicht. Der Witz:Man spart ständiges Absichern von Daten und Neuladen des anderen Programmes. Vier Programme können gleichzeitig vor sich hinarbeiten, jedes in einem eigenen Bildschirmfenster, Das ist beinahe so, als hätte man vier verschiedene Rechner vor sich. IJngeheuere Rechenkapazität ist hierfür Voraussetzung.

In der Grundausstattung verfügt der Amiga mit „nur‘ 256 KByte über zwar weniger Arbeitsspeicher als die Ataris, ist jedoch mit einer einfachen Zusatzspeicherkarte auf 512 KByte und im Endausbau bis maximal 8.5 MByte ausbaubar.

Im Vergleich zu Atari ist der Amiga um einiges teurer. Sein Preis bewegt sich zwischen 5 .000,- und 6.000,- DM. Aus diesem Grund kommt er sicher lediglich für Studios oder gut betuchte Keyboarder in Frage, die mehr auf seine vielfältigen Sampling-Möglichkeiten den besseren internen Sound Chip oder die besseren graphischen Möglichkeiten bzw. Multi Tasking Wert legen. Sofern es einmal Musik-Software dafür geben wird.

Momentan ist in dieser Richtung zumindest hier in Deutschland noch keine Aktivität zu verzeichnen. Doch es fehlt ja auch noch der Computer. In den USA ist der Amiga jedoch bereits am Markt und im späten Frühjahr soll er auch in deutschen Shops auftauchen.

Gegenüberstellung

Klar ist, daß sowohl die Ataris, als auch vor allehi der Amiga völlig neue Möglichkeiten für Musiker anbieten: Riesige Speicher erlauben endlich, nicht nur einen kurzen, sondern mehrere lange Songs im Arbeitsspeicher unterzubringen, die hervorragenden graphischen Fähigkeiten erlauben Notation in einer Qualität auf den Bildschirm zu bringen, wie es bisher in der „Low Cost-Preisklasse“ nur mit dem Macintosh möglich war. Auch im Sampling-Bereich bieten die riesigen Speicherplätze in Verbindung mit der hervorragenden Graphik und Bedienbarkeit enorme Möglichkeiten: sehr lange Sounds abzuspeichern, bequeme Kurvenbearbeitung am Bildschirm, leichtes Editieren. Der Amiga könnte parallel zur Steuerung des Midi-Equipments per Multi Tasking noch taktgenau eine 3-D Realtime-Graphikshow mit Sample-Sounds liefern.

Wie für die meisten Computer gilt jedoch trotz aller Vorzüge leider auch für diese Stars – not born for the show live on stage. Die vielen Einzelteile stehen dem Einsatz im Studio weniger entgegen, als dem auf der Bühne. Ganz abgesehen von den für den rauhen Live-Einsatz nicht konstruierten Plastikgehäusen. Wie sich die beiden Rechner in Zukunft für Musiker entwickeln werden, hängt jedoch in erster Linie von der einst zur Verfügung stehenden Anzahl und Qualität an Musik-Software ab. Der beste Rechner nutzt in Verbindung mit schlechter Software nichts.

Ein Lichtblick: Am Stand der Firma Atari wurde auf der Systems ein Midi-Demo Programm für den Atari gezeigt. Es kam aus demselben Hause Kapehl & Philipp, in dem auch das legendäre Midi-Kompendium, das bisher immer noch einzige fundierte, theoretische Handbüchlein zum Thema Midi-Theorie, entstand. Das Programm soll zur Musikmesse in Frankfurt fertig sein. Auch Steinberg Research arbeitet momen an Midi-Software für den Atari und sicher noch einige mehr. Man kann momentan lediglich in gespannter Hoffnung warten, bis die Computer bei uns erhältlich sind

– und vor allem passende Musik-Software!

Richard Aicher

Erschienen in Soundcheck Musikmagazin, Januar 1986

Musiksoftware ein Überblick – Artikel von Richard Aicher

Music Hard and Soft: eine kleine Marktübersicht von Richard Aicher für das 64er Magazin, November 1984

Von der Qualität und leichten Bedienbarkeit der Programme hängt die Qualität der Keyboardarrangements immer mehr mit ab. Nichts-desto-trotz sollte man immer daran denken, daß ein schlechter Song auch mit der ausgefeiltesten Software nicht besser wird. Hier ein kurzer Überblick über Midi-Software und -Interfaces für den Commodore 64.

Steinberg Research: 16-Spur-Midi-Recorder, Interface und Drum to Midi Converter

Vom Keyboarder für Keyboarder entwickelt wurde die Steinberg-Midi-Software: Einer der beiden Entwickler ist selbst Keyboarder in der Gruppe um die Rock-Lady Inga Rumpf. Dieselbe Firma verteibt auch ein Mini-Midi-Interface mit einem Midi-Input und zwei Outputs. Das Interface selbst besteht aus einer Platine mit festgelöteten Buchsen. Die Platine wird direkt in den User-Port des C 64 gesteckt. Leider hat man, wahrscheinlich aus Kostengründen, auf ein Gehäuse verzichtet. Hier empfiehlt es sich, auf jeden Fall selbst Hand anzulegen. Preis zirka 120 Mark.

Die Software kann man als 16 Spur-Multitrack-Recorder bezeichnen. 16 Sequenzen verschiedener Länge haben im Arbeitsspeicher Platz. Die einzelnen Sequenzen spielt man Spur für Spur ein. Jede faßt bis zu 16 polyphone Spuren und unterschiedliche Parameter. Pitchbending und Modulation, Dynamik und After Touch sowie Sound-Änderungen werden mit aufgezeichnet. Natürlich nur, wenn das Instrument dazu in der Lage ist. Jede Spur kann dabei so viele Stimmen aufnehmen, wie das Einspielkeyboard zur Verfügung stellt. Längere Kompositionen bildet man durch Verknüpfen der 16 Sequenzen, wobei die Reihenfolge frei wählbar ist. Die 16 Sequenzen und 16 Spuren erscheinen recht musikerfreundlich in einer Art Songtable am Bildschirm. Man arbeitet ausschließlich mit diesem Bild (Bild 1). Bereits während der Aufnahme werden etwaige Timingfehler korrigiert, wobei die Korrektur für jede Spur individuell anwählbar ist. (Korrektur auf 1/4-, 1/8-, 1/16-, 1/32- und 1/64-Werte möglich). Ein Metronom hilft während des Einspielens, das richtige Tempo zu halten.

Bild 1. Alle wichtigen Daten auf einen Blick bei der Steinberg-Midi-Software

Bis zu 16 Midi-Instrumente spricht das Interface im Playmode an. Die 16 Recorder-Spuren lassen sich natürlich beliebig auf die 16 Channels und somit verschiedenen Instrumente verteilen. Die Software ist für OMNI-, POLY- und MONOmode ausgelegt.

Ein Farbbildschirm ist unbedingt nötig. Die einzelnen Betriebsmodes, wie Aufnahme, Play und so weiter, erkennt man durch verschiedene Hintergrundfarben. Bespielte Spuren lassen sich in jede beliebige Sequenz und dort an jeden Platz kopieren, sowie in einem Bereich von + 32 bis +32 Halbtönen transportieren. Preis 290 Mark.

Für schwierige Synchronisations-Aufgaben in größeren Midi-Systemen, stellt Steinberg eine auf die Midi-Multitrack-Recorder-Software und den C 64 abgestimmte Synchronisier-Platine her. Mit dieser läßt sich dann eine Band-Maschine synchronisieren (Tape Sync) oder der Midi-Recorder extern triggern. Umgekehrt kann man ihm diverse Clock-Signale und einen Start-Impuls zur Steuerung externer, noch nicht Midi-kompatibler Elektronik-Drums entnehmen. Preis zirka 98 Mark.

Demnächst erscheint im Programm von Steinberg ein Drum-to-Midi-Converter. Dies wäre das erste Gerät dieser Art. Mit diesem Gerät kann man dann endlich Percussion-Impulse direkt in die Midi-Software einspielen. Hierzu ist zusätzlich Hardware nötig. Die Impulse können entweder von einem Pad-Set (Simmons oder ähnliches) oder über Mikrofon von einem »echten« Schlagzeugset abgenommen werden.

Jellinghaus Music Systems: Midi-Interfaces und Software

Jellinghaus, einer der deutschen Pioniere auf dem Gebiet der Midi-Technik, bietet zwei verschiedene Interface-Versionen an. Ein sogenanntes Mini-Interface, zum Preis von 115 Mark, daß sich ausschließlich an den Commodore 64 anschließen läßt, sowie eines mit mehr Features, das sich sowohl mit 6502 als auch Z80-Prozessoren ansprechen läßt, zum Preis von 330 Mark. Das Mini-Interface verfügt lediglich über einen In- und zwei Outputs. Die größere Version bietet zusätzlich eine Midi-Thru-Buchse sowie Drum Sync-Möglichkeit.

Jellinghaus bietet diverse Software für den Commodore 64 an. Vor allem Yamaha-DX-7-Besitzer kommen hier auf ihre Kosten. Der Sound-Editor DX-7/DX-9 zeigt alle Soundparameter dieser Keyboards übersichtlich auf dem Bildschirm an. Dies weiß jeder zu schätzen, der sich schon an der Programmierung der beiden Keyboards versucht hat. Die einzelnen Parameter lassen sich nun bequem über die C 64-Tastatur editieren und anschließend ausdrucken.

Überdies entkommt man auf diese Weise auch den teuren RAM-Cartridges, denn mit dieser Software lassen sich sämtliche Sounddaten auch auf die Commodore-Diskette speichern. Preis zirka 185 Mark.

Auch eine Multitracker-Software gibt es hier, den sogenannten Multitrack Live-Sequenzer für den Commodore 64 (Bild 2).

Bild 2. Das Hauptmenü beim Multitrack Live-Sequenzer

Er stellt 12 Spuren zur Verfügung, natürlich wieder voll polyphon. 10000 Events (note on/note off) haben insgesamt im Speicher Platz. Ein Metronom sorgt für den richtigen Takt, die Aufnahme startet mit einem wählbaren Ereignis, zum Beispiel der ersten gespielten Note, einem Druck auf die Programmwechseltaste oder durch Drehen am Pitch-Bender. Für jede Aufnahme-Spur läßt sich getrennt festlegen, welche Parameteränderungen gespeichert werden sollen, zum Beispiel Keyboarddaten, Anschlagsdynamik, Programmwechsel, Pitch Bender und andere. Die Auswahl erfolgt in einem Filter-Menü. Diese Bezeichnung erscheint mir hier allerdings etwas fehl am Platze. Beim Arbeiten mit einer Drum-Box kann entweder diese den Recorder, oder der Recorder diese synchronisieren. Das Tempo läßt sich im Bereich von 40 bis 200 regeln, die Taktart kann von 2/2 bis 11/2, 2/4 bis 11/4, 2/8 bis 11/8 gewählt werden. Natürlich auch hier alle drei Midimodes und wählbare Zuordnung von Spuren auf Channels. Einzigartig bisher: Die gespeicherten Songs lassen sich listen und editieren. Auf dem Bildschirm erscheint hierbei ein korrektes Zeitprotokoll der Reihenfolge, in der bestimmte Tasten gedruckt und wieder losgelassen wurden, mit Angabe der zusätzlich aufgenommenen Parameter. Außerdem lassen sich alle Spuren nachträglich im Timing korrigieren, in 1/4 bis 1/32-Werten, sowie 1/4- bis 1/32-Triolen. Weitere Features: Endlos-Wiedergabe (loops), Fuß-Schalter-Anschluß, Transponierung und Loudness-Skalierung jedes Tracks und die Möglichkeit, mehrere Tracks auf einen abzumischen (Mix-Down). Das Jellinghaus Midi-Recording-Studio kostet 250 Mark.

Eine weitere interessante Midi-Software: das Master-Keyboard (Bild 3). Dieses Programm ist interessant, wenn man viele Instrumente an seinem Midi-System angeschlossen hat und live darauf spielen will. Die Einspielklaviatur läßt sich dann in verschiedenen Weisen zur Steuerung der anderen Synthis einsetzen. So lassen sich zum Beispiel auf dem Einspiel-Keyboard (Master Keyboard) sechs Splitpunkte bestimmen. Mit den so entstandenen Klaviaturabschnitten kann man dann die restlichen Synthis gezielt vom Master-Keyboard aus live spielen. Außerdem können für die angeschlossenen Keyboards oder Effektgeräte 80 Presets programmiert werden, so daß sie bei Anwahl eines dieser Presets durch einen Tastendruck auf die bestimmten Klangbeziehungsweise Effektprogramme geschaltet werden. Ein drittes Feature ermöglicht zu jedem gespielten Ton andere hinzumischen. Diese Software kostet 200 Mark.

Bild 3. Bildschirmdarstellung beim Master-Keyboard

Passport Design: Midi-Interface und Software

Passport Design ist in Computermusik-Kreisen durch ihr System für den Apple II, das Mountain Board Music System, wohlbekannt. Mittlerweile wurde auch Midi-Software und ein Interface für den C 64 von dieser Firma entwickelt. Auf der Midi-Interface-Karte sind drei 5-Pol-DIN-Buchsen vorhanden. Einmal Midi-In, einmal Midi-Out und eine dritte Buchse, für die Synchronisation einer Drum-Maschine (Drum Sync). Die Midi-Interfacecard überträgt und empfängt sämtliche Standard-Midi-Daten. Sie kostet in Deutschland 590 Mark.

Mit dem Midi-Recorder Midi/4 kann man bis zu 16 Stimmen Real-Time einspielen, beliebig über vier Aufnahmespuren verteilt. Hierbei speichert die Software alle für die Komposition wichtigen Informationen, also Tonhöhe, Dauer, Anschlagsdynamik, Pitch-Bend, Presetänderungen und After Touch. Sollte man sich einmal verspielt haben, können einzelne Stellen mit der »Punch-In«-Funktion während des Abspielens korrigiert werden, — so, als hätte man eine der guten alten Vier-Spur-Bandmaschinen vor sich. Natürlich lassen sich alle Midikompatiblen Rhythmusmaschinen synchronisieren. Auch Geräte ohne Midi-Bus, wie zum Beispiel ältere Electronic-Drums der Firmen Roland und Korg, kann man anschließen, sofern sie einen 5-Pol-DIN-Stecker zur Synchronisation besitzen. Das Schlagzeug wird durch die Software gestoppt und gestartet. Weitere Features von Midi/4 sind eine »Loop«-Funktion, »Clicktrack on/off«, die die Synchronisation des Midi-Sequenzers mit einer Bandmaschine erlaubt und »Transposition«. Der Preis beträgt in Deutschland zirka 295 Mark.

Sequential Circuits: Model 64-Sequenzer für den Commodore 64

Der Model 64 Midi-Sequenzer Sequential Circuits ist als Cartridge entwickelt, die in den Memory-Expansion-Port des C 64 gesteckt wird. Um ihn voll ausnutzen zu können, benötigt man ein sechsstimmig polyphones, Midi-fähiges Keyboard. Der Sequenzer zeichnet dann exakt das auf, was von der Tastatur her eingespielt wird. Insgesamt können bis zu 4000 Noten gespeichert werden. Verfügt das benutzte Keyboard über Anschlagsdynamik, so wird auch diese mit aufgezeichnet.

Der Sequenzer merkt sich auch alle Pitchbend- beziehungsweise Modulationsinformationen. Im Wiedergabemodus können alle gespeicherten Informationen dann entweder real-time oder auto-corrected, wobei Timing Fehler des Einspielens nachkorrigiert werden, an den angeschlossen Synthesizer gegeben werden. Der Speicher des Sequenzers läßt sich in acht Blocks unterteilen, jeder dieser Blocks enthält dann eine sechsstimmig polyphone Sequenz, die alle unterschiedliche Längen haben können. Die Sequenzen kann man nachträglich per Software ganz, oder in Teilbereichen ändern, transportieren und auf Diskette beziehungsweise Kassette abspeichern. Der Sequenzer ist so konstruiert, daß er auch ohne Monitor betrieben werden kann. LEDs auf der Frontplatte signalisieren den jeweiligen Betriebszustand, was natürlich vor allem für Livemusiker auf der Bühne praktisch ist. An den Sequenzer kann man einen Fußschalter anschließen, zum Starten und Stoppen, wenn keine Hand frei ist; außerdem läßt er sich mit externen Rhythmusgeräten synchronisieren. Es kostet 725 Mark.

Natürlich gibt es noch mehr Software, noch mehr Interfaces. Alles Aufzuzählen würde den Rahmen erheblich sprengen. Für den Keyboarder zumindest, kann ein gut durchdachtes Midi-System mit entsprechender Software ein herkömmliches Recordingsystem mit Mehrspurmaschine und Mischpult in vielen Fällen ersetzen. Billiger kommt man jedoch auch nicht weg. Die Anschaffungskosten eines Computersystems und der Midi-Soft- und Hardware dürften sich in der Größenordnung eines Acht-Spur-Recorders der Low-Cost-Klasse bewegen.

Richard Aicher

https://www.64er-magazin.de/8409/midi_markt.html


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IMA Internationale MIDI Association – Artikel von Richard Aicher für 64er Magazin, September 1985

IMA, die Internationale MIDI Association bietet Mitgliedschaft an

Alle an der Entwicklung des MIDI-Systems Interessierte, können in der International Midi Association (IMA) Mitglied werden. Die IMA ist eine nichtkommerzielle Einrichtung. Sie verfügt über sämtliche Informationen zum aktuellen Stand des MIDI-Geschehens. Die Gesellschaft versucht, ein weltweites Forum des Gedankenaustausches zu sein. Die Mitglieder unterteilt man in drei Gruppen: Hersteller, Händler und Anwender. Für jede Kategorie werden spezifisch zugeschnittene Informationen angeboten.

Der Mitgliedsbeitrag beläuft sich für Anwender auf jährlich 40 Dollar, zuzüglich 5 Dollar Postgebühren. Dafür erhält man das »MIDI Specification Manual« kostenlos. Diese Fundgrube für MIDI-Technik-Freaks kann man auch als Nichtmitglied, zum Preis von 10 Dollar zuzüglich 5 Dollar Postgebühren, beziehen.

Daneben existieren noch eine Reihe anderer interessanter Angebote, die Mitglieder kostenlos oder zumindest ermäßigt erhalten. Zum Beispiel, das monatlich erscheinende »IMA Bulletin« vollgepackt mit den allerneuesten Informationen zum MIDI-Standard, Produktinformationen, Kontaktadressen anderer Mitglieder, Seminarpläne und Termine, der 36 mal jährlich erscheinende »IMA Update Service« und jährlich herausgegebene »IMA Sourcer« mit Nachrichten über MIDI Equipment. 

Detailliertere Informationen bietet die »IMA Membership Information Brouchure«. Diese erhält man über: 

IMA — The International MIDI Association, 8426 Vine Valley Drive, Sun Valley, CA 91352

Richard Aicher

Commodore SX 64, Artikel von Richard Aicher, für 64er Magazin

SX 64 im Test

Mobilität ist eine Zauberformel, die unser Leben im letzten Jahrzehnt entscheidend beeinflußt hat. Transistorradio, tragbare Stereoanlage, Fernseher, Mobil-Home, wen wundert’s, wenn auch die Computerindustrie, vom Portablefieber erfaßt, mehr und mehr „tragbare“ Mini-, Home- und Personal Computer auf den Markt bringt. Vielleicht gehören in naher Zukunft mit Portables bewaffnete „Hacker“ am Badestrand unter dem Sonnenschirm genauso zum Strandalltag wie heute Familienväter im Kampf mit dem Gummiboot.

Seitdem 1980 Adam Osborne seinen ebenso viel geschmähten wie hochgelobten Osborne 1 vorstellte und damit die Portable-Lawine ins Rollen kam, erschienen zirka 80 bis 100 „Tragbare“ auf dem amerikanischen Markt. In immer neuen Variationen versuchten findige Ingenieure, mehr oder wenig erfolgreich, möglichst viel Hardware auf immer kleinerem Raum und mit immer weniger Gewicht unterzubringen. Auf der Hannovermesse ’83 stellte Commodore erstmals seinen lange angekündigten und mit viel Spannung erwarteten Koffercomputer vor, den Commodore Executive als SX 64 mit Single-Floppy beziehungsweise DX 64 mit Double-Floppy ausgestattet. Auffallend: der eingebaute Farbmonitor. Wäre nicht das Commodore-Firmenemblem untrüglicher Beweis für die Herkunft des Gerätes, hätte ich vom äußeren Erscheinungsbild her nie auf Commodore getippt. Kein Cremeweiß, keine weichen Rundungen. Nein, stahlgrau, eckig, mit blauem Zierstreifen und modernem Design, so präsentiert sich der SX 64 äußerlich (Bild 1).

Nimmt man den Deckel ab, in dem die Tastatur (Bild 2) untergebracht ist, kommen links der 5-Zoll-Farbmonitor und rechts das querliegende Diskettenlaufwerk (5,25 Zoll à 170 KByte, identisch mit der VC 1541) sowie ein Diskettenablagefach (an dieser Stelle befindet sich beim DX 64 das zweite Lauiwerk) zum Vorschein. Rechts daneben eine schmale Klapptüre mit dem ResetKnopf und sieben Einstellreglern (Bild 3). Hiermit können Lautstärke, Kontrast, Helligkeit, Farbsättigung, Rot-Grünbalance sowie der Bildfang eingestellt werden. Die Einstellung ist stabil, und auch nach mehrmaligem Ein- und Ausschalten des Gerätes mußte ich keine Neueinstellung an den Reglern vornehmen. Gott sei Dank, denn die relativ wackeligen Drehregler konnten mich nicht davon überzeugen, ewig halten zu wollen. Die Module kommen oben in den Steckschacht. Ungeheure Stabilität hingegen strahlt der monströse Tragegriff aus, der gleichzeitig auch als Standfuß dient. Hier versuchte man, so scheint mir, das wettzumachen, was bei der Konstruktion des Computer- und Tastaturgehäuses etwas vernachlässigt wurde, die mechanische Stabilität, die bei einem transportablen Computer sicher eine entscheidende Rolle spielt. So klobig der Griff auch optisch wirkt, so gut liegt er beim Transport in der Hand und läßt zumindest die ersten Kilometer Fußmarsch mit dem SX 64 zu einem Kinderspiel werden. Spätestens nach zehn Minuten jedoch beginnen langsam die Armgelenke zu schmerzen. Man merkt das Gewicht von 10 kg und erkennt, daß sich die Portabilität des SX 64 höchstens auf die Strecken Wohnzimmer – Arbeitsraum oder Wohnung – Garage beschränken wird, soll nicht ein Hanteltraining unumgänglicher Bestandteil des Tagesablaufs werden.

Der große Vorteil des „alles in einem Gehäuse-Gerätes“ scheint mir deshalb weniger in der Transportmöglichkeit über längere Strecken zu liegen als in der Tatsache, daß er schnell und ohne Kabelgewirr (das Netzteil ist selbstverständlich eingebaut) betriebsbereit und nach der täglichen Arbeit auch genauso schnell wieder verstaut ist. Mit 5 Zoll Bildschirmdiagonale (13 cm) gestaltet sich die Arbeit jedoch nicht immer zum Vergnügen. Gegen die Farbqualität des Monitors (Bild 4) läßt sich nichts sagen, sie ist hervorragend; ein O von einer Null beziehungsweise die von einer 8 zu unterscheiden, erfordert jedoch viel Einfühlungsvermögen (vergleiche Bild 5). Hier hilft selbst die Brille wenig. Sicher, für die Größe, [die]ser Winzigkeit des Monitors ist die Auflösung ausgezeichnet, aber in diesem Falle wären ein größeres Gehäuse und ein größerer Monitor die bessere Lösung gewesen.

Wer auf dem SX 64 Texte verarbeiten möchte, sollte schon jetzt einen Zusatzmonitor in „Normalgröße“ auf den nächsten Weihnachtswunschzettel schreiben, ein Monitoranschluß ist in der Rückseite vorhanden. So entgeht man auch der Qefahr, sich mitten im schönsten Spiel zu zweit vor dem Bildschirm eine Beule am Kopf zu holen bei dem beidseitigen Versuch, noch näher mit den Augen an den Ort des Geschehens zu kommen. Kurz und gut, besten Gewissens kann ich den eingebauten Monitor nur als Kontrollmonitor empfehlen.

Großes Lob verdienen die 66 Tasten in QWERTY-Anordnung. Die Tastatur stellt gleichzeitig den Deckel des Computers dar. Abgeklappt kann sie, freibeweglich und nur mit einem Verbindungskabel von zirka 50 cm Länge mit dem Gehäuse verbunden, bedient werden. Mit 3 cm Bauhöhe kann man sie im Vergleich zur 8032 SK-Tastatur getrost als für Commodore-Verhältnisse superflach bezeichnen. Commodore vermied Experimente und übernahm das Konzept des vielfach bewährten und beliebten C 64 fast vollständig in den SX 64. Bis auf die ergonomisch bessere Formgebung mit schöner gerundeten Tasten unterscheidet sich die Tastatur weder in Belegung noch Anzahl der Tasten von der des Commodore 64. Das Verbindungskabel Computer/Tastatur erscheint sehr robust. Etwas unpraktisch: Die Steckbuchse an der Unterseite des Tragbaren, die den Kabelstecker aufnimmt, ist in einem Schacht verborgen und dadurch etwas schwer zugänglich. Sehr instabil erscheinen mir die Plastik-Schnappvorrichtungen am Tastaturgehäuse, mit denen dieses am Gehäuse befestigt wird. Sie verklemmten sich bei meinem Gerät nach einem Transport prompt und ich stand alle Ängste aus, die Tastatur nur mit Bruch wieder vom Gehäuse loszubringen.

Auf der Oberseite des Gehäuses ist ein durch Federklappen geschützter Expansionport, das heißt, ein Steckplatz für Module, zum Beispiel das IEEE488-Interface, Spiele und so weiter. In diesen Steckplatz passen alle für den C 64 bestimmten Module. Über das IEEE-488-Interface ist die gesamte Peripherie der 4000er und 8000er Systeme anschließbar. Ein neues Steckmodul, das in diesen Tagen erhältlich sein soll, und austauschbare Tastenkuppen ermöglichen die Umrüstung der 64-Tastatur auf den deutschen Zeichensatz.

Auf der Rückseite des Gehäuses befinden sich die Peripherieanschlüsse (Bild 6):

  • Die DIN-Buchse für den Audio- und Videoausgang.
  • Ein serieller Bus zum Anschluß für das Diskeffenlaulwerk VC 1541 und/oder Drucker 1525, MPS 801, VC 1526 beziehungsweise den Plotter VC 1520.
  • Der Userport als frei programmierbare 8-Bit-parallel-Schnittstelle. Durch entsprechende Programmierung als RS232-Schnittstelle verwendbar.
  • Zwei Anschlüsse für Joysticks.

Im Inneren des Computers befindet sich die modifizierte Rechnerplatine des C 64, aufgeteilt auf zwei Platinen, sowie die modifizierte Platine der Floppy VC 1541 und ein 8-cm-Lautsprecher, der befriedigende Klangergebnisse erzielt. Die im Gehäuseinneren erzeugte Wärme wird über die Lüftungsschlitze genügend abgeleitet, auch nach einem Dauerbetriebstest von 48 Stunden erwärmte sich der SX 64 nur unwesentlich.

Genau wie der C 64 arbeitet auch der SX 64 mit der 8-Bit-MOS-CPU 6510 aus der Familie 65xx, bei einem Systemtakt von 985248 kHz [Anm. d. Erfassers: Tatsächlich sind es natürlich 985248 Hz oder 985,248 kHz oder 0,985 MHz]. Der Speicher verfügt über 64 KByte RAM, wovon in Basic 38 KByte für Programm und Variablen verfügbar sind. 52 KByte können hiervon für den Einsatz von Maschinensprache oder ladbaren Programmiersprachen genutzt werden. In 20 KByte ROM sind das Betriebssystem, der Basic-Interpreter und die I/O-Routinen untergebracht. Da der 6510 als 8-Bit-Prozessor selbst nur einen Adreßraum von 64 KByte verwalten kann, der vom RAM selbst belegt ist, bestand das Kunststück darin, mittels zusätzlicher Logik eine sinnvolle Verwaltung der sich teilweise überlappenden Speicherbereiche auszuklügeln. Hier kam Commodore der glückliche Umstand zugute, über eine eigene Halbleiterfabrikation, nämlich der Tochterfirma MOS zu verfügen. Ein speziell entwickeltes „Adress Manager IC“ (FPLA, Field programmable Logic Array) übernimmt diese komplizierte Aufgabe. Auch der Prozessor selbst sowie das Sound-IC, das SID 6581 (ebenfalls ein Peripherie-Baustein der 65xx-Familie) sowie der Videocontroller VIC, der Schlüssel zur hochauflösenden Grafik, gehen auf das Konto der MOS-Entwicklungsingenieure.

Der SX 64 benutzt genau wie der C 64 das Commodore-Basic V 2.0 und ist maschinensprachekompatibel zum 6502. Es können jedoch auch andere Programmiersprachen wie zum Beispiel Pascal, Comal, Pilot, Assembler und Logo geladen werden. Das Basic-ROM wird dann abgeschaltet, und es stehen 20 KByte für die Programmiersprache und den Arbeitsspeicher zur Verfügung.

Das Basic des SX 64 ist identisch mit dem des C 64. Da das V 2.0-Basic in der Literatur bereits zur Genüge abgehandelt wurde, möchte ich an dieser Stelle nicht mehr näher darauf eingehen.

SX 64-Einsteiger brauchen sich über ein mangelndes Angebot an Software keine Gedanken machen, der C 64 hat hier Basisarbeit geleistet. Auch Literatur existiert mittlerweile in Hülle und Fülle. Ohne diese kommt der ernsthafte SX 64-User sowieso nicht aus. Das Bedienungshandbuch ist im Vergleich zum C 64-Handbuch zwar sehr ausführlich, doch viele wichtige Dinge bleiben auch hier wieder unerwähnt oder werden nur dürftig am Rande behandelt. Unverständlicherweise gerade die Bereiche, die den SX 64 interessant machen, nämlich die Erzeugung von Sprites sowie die Möglichkeiten der hochauflösenden Grafik und der Klangerzeugung mit dem SID 6581. Vergebens suchte ich im englischen Handbuch, das mir vorlag, nach dem Befehl, der in den hochauflösenden Grafik-Mode führt. Auch die interessantesten Möglichkeiten des wirklich hervorragenden SID-Chips, nämlich Ringmodulation, Synchronisation und Filterung bleiben gänzlich unerwähnt.

Im hochauflösenden Grafikmodus können 64000 (320 x 200) einzelne Bildschirmpunkte (Pixels) angesprochen werden. Nach dem Einschalten durch POKE 53265,59:POKE 53272,24 können die einzelnen Bildschirmpunkte mittels POKE x,y gesetzt und mittels POKE x,0 wieder gelöscht werden. Jeder Adresse entspricht hierbei eine Zeile von acht Bildschirmpunkten. Je nachdem, welche Punkte nun gesetzt werden sollen, setzt man den zugehörigen n-Wert in nachfolgender Formel gleich Null und bildet die Summe [Anm. d. Erfassers: Natürlich muß n für einen gesetzten Punkt gleich Eins gesetzt werden].
Formel: y=n^7 + n^6 + n^5 + n^4 + n^3 + n^2 + n^1 + n^0
[Anm. d. Erfassers: Die Formel ist leider auch Kappes, es müßte eigentlich y=n[7]*2^7 + … + n[0]*2^0 heißen, wobei die n’s natürlich jeweils pro Punkt verschieden sind, daher die Indizierung]
wobei nun der Summenwert y den zu pokenden Wert darstellt. Ein kleines Beispiel soll dies verdeutlichen (Bild 7):

Diese drei Punkte lassen sich mittels POKE 8192,128+16+8, also POKE 8192,152 setzen. So einfach ist das also. Im Blockgrafik-Modus stellt der Bildschirmspeicher (Adressen 1024 bis 2023) 25 Zeilen und 40 Spalten in einer 8 x 8-Punktematrix zur Verfügung.

Für Farbe im tristen Alltag sorgt der Farbspeicher ebenfalls mit 1000 Bildpunkten (Adressen 55296 bis 56295). An Farben stehen Schwarz, Weiß, Rot, Türkis, Violett, Grün, Blau, Gelb, Orange, Braun, Hellrot, drei verschiedene Grauwerte, Hellgrün und Hellblau zur Auswahl (Bild 8). Die tausend Farbpunkte stellen den inneren Bildschirmbereich dar. Darüber hinaus existiert noch ein zweiter Bildschirmbereich, der Rahmen, der unabhängig vom inneren Bereich mit denselben 15 Farben eingefärbt werden kann.

Bewegung ins Bild bringen die vom Benutzer frei definierbaren Sprites, Figuren in hochauflösender Grafik, maximal 24 x 21 Punkte groß, die über POKE-Befehle erstellt werden. Maximal acht Sprites dürfen gleichzeitig auf dem Bildschirm bewegt werden.

Klänge in den Raum posaunt der SX 64 mit Hilfe des SID 6581, eines kompletten dreistimmigen Synthesizers mit drei Wellenformen (Dreieck, Sägezahn und Pulswelle) je Stimme. Drei Hüllkurvengeneratoren regeln für jede Stimme einen separaten Lautstärkeverlauf der Töne. Rauschgenerator, Filter, Ringmodulator, das, wovon manch großer Synthesizer träumt, ist vorhanden. So verwundert es nicht, daß in jüngster Zeit immer mehr Musiksoftware angeboten wird, die den C 64 beziehungsweise SX 64 in ein „Musikinstrument“ mit vielfältigen Möglichkeiten verwandeln.

Fazit

Interessant ist der SX 64 für alle, die viel unterwegs sind und ohne Computer nicht auskommen wollen oder aber ihren Computer auch zu Hause oft auf- und abbauen müssen. Leider besitzt der SX 64 keinen Akkuanschluß, so daß er eigentlich kein Portable im wahrsten Sinne des Wortes ist. Die Schwachstelle am Ganzen: der Bildschirm. Eine Nummer größer wäre in diesem Falle sicher besser gewesen, dafür hätte wohl jeder ein etwas größeres Gehäuse in Kauf genommen. Besonderes Lob verdienen die Tastatur, die ein ermüdungsfreies Arbeiten auch über einen längeren Zeitraum ermöglicht, und das ansprechende Design des Gehäuses. Ein weiteres großes Plus: die völlige Kompatibilität zum C 64 (die Programmodule werden oben eingesteckt; siehe Bild 9) sowie die Möglichkeit, nach Einbau der CP/M-Karte auf das große Angebot an CP/M-Software zurückgreifen [zu] können, auch wenn bisher nur wenige Programme, die unter CP/M laufen, auf das Commodore-Diskettenformat umgeschrieben wurden.

Hier originalmanuskript Richard Aicher

Das MPS-System von Roland

Das MPS-System von Roland

Bezüglich Musiksoftware ging der Trend auf der Frankfurter Messe eindeutig in Richtung größerer Rechner. Roland demonstrierte unter anderem das MPS-System für den IBM-PC und kompatible Rechner. Das Programm benötigt das MPU-401 Midi-Interface von Roland und die Adaptercard MIF-IPC für den IBM. Die Adaptercard verbindet den Rechner mit dem Interface. Sie wird in den Expansionsslot im Inneren des Rechners gesteckt. Benutzt man aus Kostengründen statt des Original-IBMs einen kompatiblen Rechner, empfiehlt es sich, immer vor dem Kauf das gesamte System auf Lauffähigkeit mit der Software zu überprüfen. Ich hatte Gelegenheit, das Programm auf einem Epson PC zu testen. Mit diesem Rechner gab es keinerlei Schwierigkeiten.

Die Software läuft auf dem IBM-PC, PCXT und PCAT. Als Betriebssystem ist MS DOS 2.0 bzw. eine höhere Version erforderlich. Minimalanforderung für den Rechner sind 256 KByte Memory und eine Disk Drive. Zwei Laufwerke erleichtern die Arbeit erheblich. Erst ab 320 KByte kann man mit einem IBM-Kompatiblen, Matrix Printer mit High Resolution Print Modus, Noten zu Papier bringen. Besitzt man 640 KByte, bringt die MPS-Software zirka 60000 Töne im Arbeitsspeicher unter.

Bei der Software handelt es sich um einen 8-Spur- Realtime- und -Step Time-Recorder. Die eingespielten Songs lassen sich automatisch in Bildschirmnotation übersetzen und komfortabel editieren bzw. ausdrucken. Das MPS-System gliedert sich in drei Modes: Song Mode, Print Mode und Score Mode, die interaktiv arbeiten. Jede Eingabe innerhalb eines bestimmten Modes wird automatisch in die restlichen Modes übernommen. Editiert man etwa im Score Mode, werden die Änderungen der bearbeiteten Phrase beim Abspielen des Songs im Song Mode berücksichtigt.

Bild: Das Track-Panel des MPS-Systems im Realtime-Aufnahmemodus:

Nach dem „Booten“ der Software erscheint zunächst die System-Page am Bildschirm. Von hier wählt man einen der drei Modes, kann das Data-Memory löschen, Diskoperations anwählen oder das Programm wieder verlassen. Das MPS-Sytem arbeitet menügesteuert. In jeder Page er scheint am unteren Bildschirmrand eine sogenannte Menüzeile mit den jeweils anwählbaren Optionen. Zur Anwahl der Optionen dienen immer die 10 Funktionstasten.

Der Song Mode

Mit F3 gelangt man in den Song Mode. Nach kurzer Zeit erscheint am Bildschirm die Song Page. Die acht waagrechten Balken symbolisieren die acht Aufnahme-Tracks. Neben den acht Songaufnahmespuren gibt es noch einen sogenannten „Conductor Track“, auf den Tempo und Taktwechsel separat aufgezeichnet werden können. Am unteren Bildschirmrand wieder, wie üblich, das Fenster mit den Menüoptionen. Die Pattern-Balken sind taktweise optisch unterteilt.

Jedes Kästchen symbolisiert einen Takt. Bespielte Takte erscheinen weiß. Im Song Mode stehen insgesamt drei Unter-Pages zur Verfügung: System, Arrange und Midi. Sie werden mit der Page Up bzw. Page Down-Taste durchgestepped. In jedem Fall bleiben die Tracks am Bildschirm erhalten. Die drei Sub Pages unterscheiden sich einzig in den Menüoptionen.

Die MPS-Software arbeitet mit einem sogenannten „Phrase Buffer“. In der Arrange Page wählt man mit F1 die Option „Record“, drückt die Space-Taste, und die Aufnahme beginnt, die MPU-401. clickt. Nun spielt man über das Masterkeyboard ein. Die Einspielung wird zunächst im Phrase Buffer, einer Art Zwischenspeicher, gespeichert. Sämtliche ankommenden Midi- Channel- Informationen werden registriert. Spielt man einen kompletten Song ein, der gleichzeitig Informationen auf verschiedenen Midi-Channels enthält, werden alle Channel- Informationen richtig aufgenommen. Man kann auf diese Weise ein komplettes Demo, bestehend aus 16 Tracks auf unterschiedlichen Channels, aus einem anderen Sequenzer oder Computer auf eine einzige Phrase in die MPS-Software überspielen.

Sollen nur Informationen bezüglich eines einzigen Channels registriert und aufgenommen werden, lässt sich dieser mit der Option „Filter“ bestimmen. Nun kann man die Phrase wiedergeben, mittels Autocorrect korrigieren (l/8tel gerade bis 1/32 Triole), transponieren, mit einem neuem Midi- Channel belegen oder mit Namen versehen und auf Diskette abspeichern. Will man sie in den Song übernehmen, wird sie mit der Option „Insert“ an die gewünschte Stelle kopiert. Man muss hierzu lediglich den Bar und Track bestimmen. Der Insert erfolgt automatisch, die belegten Bars „färben“ sich weiß. Befindet sich schon eine Aufnahme an dieser Stelle, wird sie normalerweise gelöscht und durch die neue Phrase ersetzt. Soll die alte Aufnahme ebenfalls an dieser Stelle erhalten bleiben, kann man mit der Option „Merge“ die neue Phrase zu der schon vorhandenen addieren. Die Midi-Channel-Informationen bleiben dabei separat erhalten.

Am Bildschirm ist selbstverständlich nicht der gesamte Song zu sehen, sondern nur 80 Takte davon. Der Takt, mit dem die Darstellung beginnen soll, lässt sich mit F7 (Start Bar) eingeben. Mit dem sogenannten Song Cursor kann man Tracks und Bars markieren. Die Position des Song Cursors wird links oben am Bildschirm angegeben (Track Bar).

Auf diese Weise kann man beliebig viele Phrasen in die acht Tracks des Songs einfügen. Man kann auch bereits früher auf Diskette abgelegte Phrasen in den Phrase Buffer holen und dann einfügen. Außerdem lassen sich beliebig viele Stücke eines Tracks „liften“ und zurück in den Phrase Buffer holen, um sie dann etwa an einer anderen Stelle des Songs wieder zu insertieren.

Selbstverständlich erlaubt die MPS-Software auch Punch In / Out. Unabhängig voneinander lassen sich für die Aufnahme und Wiedergabe der Start Bar (S Bar) und die Anzahl der aufgenommenen bzw. wiedergegebenen Bars bestimmen. Wählt man den Aufnahmebereich innerhalb des Wiedergabebereiches, kann man auf diese Weise beliebige Automatic Punch Ins'“ bzw. Einzähler festlegen.

Mit der Funktion „Track“ lassen sich einzelne Tracks „muten“, das heißt aus dem Playback abschalten. Track Merge hilft, Spuren zu sparen. Sind zwei oder mehr Tracks o.k., „merged“ (mischt) man sie einfach zusammen. Auch in diesem Fall bleiben die Channel- Informationen erhalten. Das Wiedergabe- und Aufnahmetempo der MPS-Software lässt sich in Realtime über die Plus- und Minus-Tasten verändern, aber auch alphanumerisch eintippen. Für den Takt lassen sich Zähler von 1 bis 24 und die Nenner 2, 4, 8 und 16 eingeben. Midi- Controller- Informationen sind abschaltbar, außerdem lässt sich die Velocity für die Wiedergabe begrenzen (Track oder Song). Neben der Track Transpose-Funktion existiert auch eine Song Transpose-Funktion. Mit der Option „Sync“ lässt sich der Recorder auf externe oder interne Midi-Synchronisation bzw. Tape Sync schalten.

Mit der Funktion „Base“ kann die Time Base (Auflösung, Clock Ticks je 1/4tel Note) des MPU-401 eingestellt werden. Normalerweise beträgt sie 120. Die möglichen Werte betragen 48,72,96,120,144,168 und 192. Will man notieren, ist die Auflösung 120 Vorschrift. Mit „Echo“ lässt sich schließlich das am Midi- Input des MPU-401 eintreffende Signal direkt an die Outs durchschalten (Midi Merge).

Der Score Mode

Im Score Mode lassen sich im Phrase Buffer befindliche Phrasen automatisch am Bildschirm notieren und editieren. Man muss also zunächst entweder eine Phrase in den Buffer einspielen bzw. von der Diskette einladen. Möglichkeit Nr. 3: Man liftet einen Teil eines Tracks im Song Mode in den Phrase Buffer. Auch der Score Mode besteht aus drei verschiedenen Menü-Pages: System, Analysis und Edit. Am Bildschirm erscheinen nach dem Wechsel in den Score Mode normalerweise zwei Notenzeilen (maximal), die obere im Violin-, die untere im Bassschlüssel. Dies ist die „Grand‘-Darstellung. Die Grenzlinie für die Notation in die Violin bzw. Basszeile lässt sich eingeben. Die Option „Clef“ gestattet daneben noch die Darstellung der Notation in einer einzigen Notenzeile mit Violinschlüssel (Treble) oder Bassschlüssel (Bass).

Acht verschiedene Dur-Schlüssel von C bis Cis und C bis Ces lassen sich anwählen. Die Molltonarten müssen durch verwandte Durtonarten ausgedrückt werden. Vor der Notation muss die Phrase für die Bildschirmdarstellung formatiert werden (Bar oder Phrase). Diese Formatierung bestimmt die Auflösung für die BildschirmdarsteIlung. Sie ist im Bereich 1/32tel Triole bis 1/8tel gerade einstellbar. Die Formatierung kann bei langen Phrasen einige Minuten dauern.

Danach steht jedoch die gesamte Phrase in Notenschrift am Bildschirm. Jedoch ist die Notation meist noch nicht ganz fehlerfrei, geschweige denn optisch hervorragend. Sämtliche Notenhälse sind jetzt nach unten gezeichnet, außerdem kommt es zu Interferenzen der Fähnchen. Das heißt, werden zwei 96tel Töne als Akkord notiert, besitzt der Akkord jetzt nicht einen Hals mit 2 Fähnchen, sondern deren gleich vier. (Sie werden addiert.)

In der Edit Sub-Page lassen sich alle nötigen Schönheitsoperationen durchführen. Hier kann man diese Interferenzen automatisch für die gesamte Phrase oder einzelne Bars korrigieren. In einem weiteren Korrekturdurchgang bereitet man dann automatisch die Richtung der Hälse auf, sofern gewünscht. Ab welcher Tonhöhe sie nach oben bzw. nach unten gezeichnet werden sollen, lässt sich bestimmen.

Mit der Option „Beam“ kann man aufeinanderfolgende l/8tel, l/96tel oder 1/32tel Töne mit Balken binden. Hier arbeitet MPS jedoch nicht immer ganz zuverlässig. Manchmal wurden die Balken zwar korrekt gezeichnet, aber der Rechner vergaß, ein oder zwei Fähnchen wegzunehmen. Die Balkenrichtung (Up / Down) lässt sich wieder wählen. Die Option „Tie“ gestattet das Binden von aufeinanderfolgenden Noten mit demselben Zeitwert. Da MPS interaktiv arbeitet, wird dies im Play Mode berücksichtigt. Mit der Option „Move“ lassen sich einzelne Noten um eine Position nach rechts bzw. links verschieben.

Zum Step -Recorder wird die MPS-Software mit der Option „Object“. Hier lässt sich jetzt bestimmen, welche Notationszeichen mit der Insert-Taste in die Notenzeilen eingegeben bzw. mittels Delete entfernt werden sollen. Zur Verfügung stehen Noten, Accidentials, Pausen, Text, Symbol. Entscheidet man sich für eine bestimmte Option und drückt die zugehörige Funktionstaste, erscheint im Menüfenster die Auswahl der jeweils zur Verfügung stehenden Zeichen. Das sind Zeitdauer für die Töne, Klammern, Wiederholungszeichen usw. und die Pausenzeichen. Im Textmodus lassen sich über die Notenzeilen Song-Lyrics per alphanumerischer Tastatur eingeben. Die Tonhöhe und die Stelle, an der die angewählten Notationszeichen in der Notenlinie erscheinen sollen, bestimmt man mit den Cursor-Tasten. Insert gedrückt, und kurze Zeit später erscheint das Zeichen an der richtigen Stelle. Befinden sich bereits sehr viele Zeichen im Phrase Buffer, kann es unter Umständen bis zu einer Minute dauern, bis das Zeichen am Bildschirm erscheint. Die Option „Modify“ gestattet eine Reihe weiterer Eingaben, mit denen sich die Parameter der in Step Time eingegebenen Noten weiter festlegen lassen. So kann man die Noten oktavieren (- 8va, + 8va, + 16va), triolisch eingeben (l/16-t, 1/8-t, 1/4-t und 1/2-t) und mit bestimmter Midi-Velocity und Gate-Länge belegen.

Bild: Bildschirm-Notation ist im Score-Modus möglich:

Fügt man im Edit-Mode eine Note in eine bestehende Aufnahme ein, erhält sie denselben Midi-Channel, den auch die restlichen Phrase trägt. Mit der Option „Channel New“ kann man jedoch auch die Note mit einem separaten Midi-Channel versehen. Die Komposition lässt sich im Score Mode natürlich jederzeit auch abspielen, wählbar ist entweder die gesamte Phrase, der graphisch dargestellte Bar oder eine bestimmte Anzahl von Bars. Am Bildschirm erscheint dazu Bar für Bar die zugehörige Notation.

Der Print Mode

Im Print Mode lässt sich schließlich die „Partitur“ zu Papier bringen. Die Auflösung ist im Print Mode wesentlich besser als auf dem Bildschirm. Wie gesagt ist jedoch ein minimales Memory von 320 KByte Voraussetzung. Im Print Mode arbeitet die MPS-Software High-Resolution-Pages der Notation aus. Jede Page kann maximal vier Systeme in Grand-Notation beinhalten. Jede Notenzeile kann maximal sechs Bars lang sein. Mit den Optionen „Cut“ und „Paste“ wird die Page aus einzelnen Bars zusammengesetzt. Mit dem Cursor Keys steppt man hierzu die Phrase bis zum gewünschten Bar, gibt dann die genaue Position auf der Page an, in die der Bar eingefügt werden soll, und fertig.

Am Bildschirm sieht man nie die gesamte Page, sondern maximal einen Bar, jeweils den, der eingefügt werden soll. Man muss sich die genaue Zusammensetzung der Page deshalb sehr genau aufschreiben, um nicht die Übersicht zu verlieren. Will man einen kompletten Song notieren, ist überdies meist nicht die gesamt Information in einer einzigen Phrase untergebracht. In diesem Fall muss man die diversen Phrasen hintereinander in den Phrase Buffer laden und bearbeiten.

Am einfachsten ist es, man „merged“ alle acht Tracks in einen und „liftet“ diesen als Phrase in den Phrase Buffer zum Notieren. Will man komplexere Systeme notieren, etwa mit acht verschiedenen Instrumenten (Tracks), ist das Verfahren sehr zeitraubend, da alle acht Tracks hintereinander bearbeitet und gedruckt werden müssen.

Zusammenfassung

Das MPS-System ist ein sehr komfortabler 8-Track Realtime Recorder mit Step by Step-Eingabemodus via Notationssymbolik. Verschiedene Midi-Channel-Informationen können gleichzeitig aufgenommen werden. Tracks und Phrasen lassen sich mischen, wobei ebenfalls die Channel- Informationen beibehalten werden. Die in Realtime eingespielten Phrasen lassen sich automatisch notieren und auf dem Bildschirm ausgeben bzw. ausdrucken. Die Darstellung am Bildschirm ist bemerkenswert übersichtlich, und es stehen extrem viele Korrekturoptionen zur Verfügung.

Die drei Pages Song, Score und Print arbeiten interaktiv, das heißt in Step Time eingegebene Notationszeichen werden im Song Mode für die Wiedergabe berücksichtigt. MPS ist deshalb auch ein vollwertiger Step Time-Composer. In die Bildschirmdarstellung lassen sich Texte eingeben und mit ausdrucken.

Die Zusammenstellung einzelner Druckpages erfordert viel Zeit. Im Gegensatz zum Score Mode verfügt der Print Mode leider nur über wenige Edit-Features. Die Print Outs lassen sich nicht sehr differenziert bearbeiten. Maximal haben nur vier Systeme mit maximal zwei Notenzeilen (Grand) auf einer Page Platz. Die Systeme lassen sich nicht gemeinsam klammern. Die Notationsausdrucke dürften deshalb vor allem für Klavierauszüge, Instrumentennotation, weniger zur Erstellung gesamter Partituren interessant sein. Die Software ist auf Anforderung bei Roland in Norderstedt erhältlich.

Testbericht von Richard Aicher, veröffentlicht April 1984 in Soundcheck Musikmagazin

Probleme mit komplexen MIDI-Systemen – Artikel von Richard Aicher für Soundcheck 1986

VON KÜHNEN TRÄUMEN ZUR HARTEN PRAXIS EIN FAZIT

M.I.D.I.! Als ich von der Firma Roland vor etwa 3 1/2 Jahren eine Notiz über eine neue Möglichkeit, Computer und Keyboards zu koppeln, erhielt, fand ich das zwar höchst interessant, aber auch nicht mehr. Nicht in den kühnsten Träumen hätte ich mir damals gedacht, dass dieses System eines Tages, und vor allem in so kurzer Zeit, das gesamte Musikgeschehen total umkrempeln würde.

Instrumente ohne Midi-Anschluss sind heute nur noch schwierig absetzbar, auch wenn längst nicht jeder Musiker Midi tatsächlich einsetzt. Aber warum soll das Gerät, das man kauft, nicht dem modernsten Stand entsprechen? Auf dem Gebraucht- Gerätemarkt werden die Traumteile von einst verschleudert. Da taucht der Mini Moog, für den einst mehr als 6000 Mark auf den Tisch zu blättern waren, für 1200 Mark auf und selbst programmierbare, polyphone Synthesizer ohne Midi kosten mittlerweile nicht mehr viel mehr als 1000 Mark. Genügt ein Jupiter 4, so muss man oft nicht mal mehr 600 Mark auf den Verhandlungstisch legen.

Ein Großteil dieses rapiden Preisverfalles geht sicher auf das Konto Midi. Und sicher werden die Instrumente nur allzuoft zu Unrecht entwertet, denn der Sound der Teile hat sich durch Midi nicht geändert. Ein Mini Moog von einst klingt heute noch genauso bombastisch, und auch der Jupiter 4 hat seine interessanten Eigenheiten. Doch viele Keyboarder sind eben Technik-Freaks und spielen am liebsten mit modernstem Equipment. Trotzdem möchte ich jedem ans Herz legen, sich genau zu überlegen, ob es sich in seinem speziellen Fall auch tatsächlich lohnt, ein altes Teil herzugeben, und dafür ein wesentlich teureres, neues anzuschaffen – das dann eine Midi-Buchse hat. Sicher, Midi ist eine absolut fantastische Sache; und ich könnte mir mein eigenes Equipment nicht mehr ohne Vernetzung vorstellen. Doch nicht jeder benötigt das! Sehr viele Keyboarder sind mit ein oder zwei Keyboards vollauf zufrieden, und die spielen sie von Hand. Das Problem der Koppelung via Midi stellt sich bei ihnen erst gar nicht, ein Sequenzer wird nicht benötigt. Warum also nicht das Equipment behalten, wenn die Sounds o.k. sind? Sich tatsächlich für Midi entscheiden, erfordert dann auch Konsequenz. Sicher, man kann auch durch die bloße Koppelung von zwei Keyboards interessante neue Dimensionen erschließen, auch ein Keyboard in Verbindung mit Computer oder Sequenzer ist schon was. Aber so richtig interessant wird das System erst im Verbund von vielen Instrumenten, wozu dann leider mindestens ebenso viel Peripherie nötig wird. Und die kostet oft mehr Geld als die Instrumente selbst.

Probleme mit komplexen Systemen

Mit dem richtigen Equipment lässt sich jedoch heute bereits ein voll Computer- oder Sequenzer-gesteuertes Studio realisieren, das letztlich auch die SMPTE-synchrone Vertonung von Film oder Video mit bester Tonqualität ermöglicht. Und das unter Umständen sogar ohne Mehrspurmaschine, mit digitalem Mastering und Midi-gesteuertem Mix‘.

Doch bis dieses Studio steht, wird man einige graue Haare mehr und viele schlaflose Nächte hinter sich gebracht haben! Alles nicht weiter schlimm, denn der bis dahin ins Unermessliche gestiegene Kaffee- und Nikotinverbrauch lässt einen mittlerweile sowieso nicht mehr schlafen, und die grauen Haare bemerkt auch keiner, da man die Welt außerhalb der Studiowände sowieso nur noch kurz vor Ladenschluss beim Kauf neuer Zigaretten, einer neuen Megapackung Kaffee und der aktuellsten Literatur zum Thema Midi registriert.

Langer Rede kurzer Sinn: Die Probleme, die sich beim Aufbau eines reibungslos funktionierenden Systems ergeben, sind gewaltig! Selbst wenn man Tage und Nächte mit dem Lesen von Publikationen zum Thema verbracht hat, brav tagelang mit Bleistift und Papier diverse Möglichkeiten der Verkabelung durchgeknobelt hat, läuft dann in der Praxis doch nie alles perfekt, und in den wenigsten Fällen kommen nach dem ersten Aufbau genau die Daten, in genau der Weise, genau da so an, wie man sich das gedacht hat. Doch glücklicherweise waren die Zubehörfabrikanten auch nicht untätig und haben mittlerweile für so ziemlich jedes Problem, das nur irgendwie auftreten könnte, die passende Hardware oder Software- Lösung parat. Die dann natürlich wieder kostet, aber man ist ja bereit, für das System etwas auszugeben. Doch woher soll man wissen, was man eigentlich benötigt? Midi-Peripherie gibt es nicht in jedem Musikshop zum testen, geschweige denn an jedem Kiosk zu kaufen. Und vielleicht (das soll ja vorkommen) wurde auch gerade das Teil, das die Lösung im eigenen Equipment bedeuten würde, nie in einer Zeitschrift getestet, denn so spezielles Equipment ist oft nur für ganz bestimmte Konfigurationen interessant, die nur wenige Musiker besitzen und damit unter Umständen keinen gesonderten, ausführlichen Test rechtfertigen. Selbst wenn das Teil getestet wurde, kam vielleicht das eine Feature, das man selbst benötigt, im Test nicht eigens zur Sprache. Neben technischem Verständnis ist für Midi-Anwender mit aufwendigen Systemen deshalb ein nicht zu unterschätzender kriminalistischer Spürsinn, eben das gewisse Feeling für die Sache, nie von Nachteil. Wie gesagt, nur wenn es gilt, wirklich komplexe Systeme zu installieren, denn zwei Keyboards midimäßig richtig zusammenzustöpseln, oder Drum Pads an eine Drum- Maschine anzuschließen, das kann mittlerweile auch meine Oma. Nach einigen Monaten ist es dann soweit! Die gesamte Anlage funktioniert perfekt, die Verkabelung stimmt, ein Knopfdruck der erste eingespielte Song fetzt perfekt abgemischt aus den Speakern, keine Taste wird gedrückt, alles erledigt die Technik.

Der Teufel in der Leitung

Und dann hört man es doch! Dieselbe Stelle nochmal abgespielt. Klar, da stimmt etwas nicht. Im dritten Takt klingt es holprig. Die Drums setzen nicht richtig ein. Ein Delay? Ein Datenfehler? Spinnt ein Gerät? Ist ein Kabel defekt? In so hochkomplexen Daten-Systemen gibt es viele Fehlermöglichkeiten. Und wenn man Pech hat, kann man sie nicht mal eliminieren. Dann nämlich, wenn der Teufel bereits im System steckt. Und im Midi-System steckt ein ganz ausgefuchster! Meistens zeigt er sich nie. Das ist am besten. Manchmal verleidet er das System sofort, oft zeigt er sich erst, wenn das Equipment eine gewisse Komplexität erreicht hat, die Songs komplexer werden oder viel mit Midi-Drums gespielt wird.

Es geht um die serielle Datenübertragung. Sicher, jeder weiß, welche Vorteile sie hat, lange Kabel, wenig Leitungen, alles super für die Anwendung. Wenngleich die 180 Grad DIN-Midistecker nach wie vor schlichtweg eine Zumutung für jeden Musiker bedeuten und eigentlich meistens irgendwann Ärger machen. Entweder sind sie verbogen, leiern aus oder die Kabel brechen ab. Aber das steht auf einem anderen Blatt. Das Problem liegt in der seriellen Datenübertragung selbst, die von der Spezifikation 1.0 vorgeschrieben wird. Die Übertragung geschieht Bit für Bit, Wort für Wort, Begriff für Begriff. Die Übertragungsgeschwindigkeit wurde zwar immerhin auf 31.25 kBaud festgelegt, das ist zweimal schneller als die der in der Computerszene weithin verbreiteten RS 232 C Schnittstelle. Man stelle sich nun bitte kurz aber leb-‚ haft vor, welche Datenflut wandern muss, um, voll orchestriert, Beethovens Fünfte mit 16 verschiedenen Midi-Keyboards computergesteuert wiederzugeben. Ab einer gewissen Datenmenge treffen die Signale nicht mehr zur richtigen Zeit an den verschiedenen, angeschlossenen Instrumenten ein. Das Midi-Orchester spielt daneben. Als Midi entwickelt wurde, war dieser Fall undenkbar. Die billigsten Midi- Keyboards kosteten damals mehr als 3000 Mark. Niemand konnte sich fünf oder gar 16 davon leisten. Doch mittlerweile gibt es hervorragende Midi-Keyboards oder Expander in der Preislage ab 700 Mark und ein Ende des Preisrutsches ist nicht abzusehen. Außerdem werden immer mehr Geräte midikompatibel. Das Endziel ist bekannt: Das voll Computer-gesteuerte Midi-Studio. Die zu übertragende Datenflut wächst also immens. Die Grenzen der seriellen Datenüber- /tragung könnten bald erreicht sein! Sicher, man kann sich auch hier helfen, Daten vor-, zurück-, hin- und herschieben, aber das sind eben nur Notbehelfe.

Midi-Drone und Voice Memories

Noch schlimmer wird es, wenn Daten auf der langen Reise durch das Midi-Kabel verzerrt werden und dadurch verloren gehen. Das gibt dann das Trauma jedes Midi- Anwenders, den Midi-Drone. Gerade in älteren Keyboards wurden im Midi Thru- Schaltkreis oft noch relativ langsame Optokoppler eingesetzt, die die Datenbits bei Durchgang nicht unwesentlich verzerren. Schleift man das Signal durch viele Keyboards, bleibt dann halt von manchem Bit nicht mehr genügend über. Und wenn das ein Note Off war, hat man den Salat, sprich den Dauerton. Eine befriedigende Lösung dieser Probleme ist momentan nicht in Sicht. Hierzu wäre auf jeden Fall eine Änderung der Spezifikation nötig.

Manche Hersteller experimentieren mit erhöhten Übertragungsgeschwindigkeiten. Dies wäre vielleicht die unproblematischste Lösung. Sehr viel aufwendiger wäre eine Änderung der Spezifikation in Richtung paralleler Datenübertragung. Das hieße dann, sehr viel bereits bestehende Hardware umzuändern oder zumindest mit Interfaces dem parallelen Standard anzugleichen. Daten aus älteren 1.0 Instrumenten müssten dann erst eine wahre Wandlungsorgie durchlaufen, bis sie endlich irgendwo am Ziel wären.

Wie jeder Anwender weiß, gibt es noch genügend andere Probleme im System. Etwa die nicht ausreichende Normierung der Anzahl und Nummerierung, das heißt, besser: Strukturierung der Programmspeicherplätze von Keyboards. Spätestens hier macht sich nämlich bemerkbar, dass das schönste Midi-System nichts nützt, wenn bestimmte hardwaremäßige Gegebenheiten der Instrumente nicht genormt sind. Und hierzu zählen leider die Voice Memories. Wählt man am Masterkeyboard Programm 4, so erscheinen an den angeschlossenen Instrumenten alle anderen Programme, aber nicht Nr. 4. Und wenn das Keyboard, das man als Masterkeyboard einsetzt, weniger Voice Memories besitzt als ein angeschlossener Expander, dann kann man die restlichen Programme des Expanders vom Masterkeyboard aus gar nicht ansprechen. Und wenn ein angeschlossener Expander oder auch ein Effektgerät weniger Voice Memories besitzen als das Masterkeyboard, dann macht es nicht mehr sehr viel Sinn, die restlichen Programme des Masterkeyboards einzusetzen. Das Instrument mit der niedrigsten Zahl von Voice Memories bestimmt also die maximal zur Verfügung stehenden, korrekt einander zugeordneten System-Voice Memories innerhalb eines Midi-Systems, das ohne Homecomputer und ohne Midi-Control-Computer arbeitet. So wird man also auf bestimmte Marken gedrillt. Klar, verwendet man nur Instrumente eines Herstellers, funktioniert meist alles. Doch dies ist, vor allem für Keyboarder, kompletter Unsinn. Denn jeder Hersteller setzt heute andere Klangsynthese- Methoden ein. FM klingt anders als PD, PD klingt anders als additiv, und additiv klingt anders als subtraktiv synthetisierte Klänge. Gerade die Kombination von Keyboards mit unterschiedlichen Klangsynthese- Methoden macht aber das gewisse Etwas aus, bringt die wünschenswerte Klangvielfalt zu Tage.

Musiker im Computerdschungel

Und wie steht’s mit den Musikern selbst? Wie stehen sie den Möglichkeiten der Computersteuerung gegenüber? Sie klagen! Konnten sie sich einst voll der Musik widmen, hantieren sie heute gezwungenermaßen mit Computertastaturen, nicht bedienerfreundlicher Software, zu kleinen Arbeitsspeichern und zu langsamen Diskettenlaufwerken. Der Preis, selbst Songs in perfekter Qualität im Wohnzimmer produzieren zu können, ist hoch. Die eigentlich ehemals musikerfremde Arbeit nimmt immer größere Dimensionen an. Früher mussten Sounds lediglich programmiert werden. Heute genügen einfache Sounds oft nicht mehr, sie müssen gestackt werden, das heißt zwei, vier oder noch mehr Sounds werden übereinandergelegt und ergeben den Übersound. Midimäßig ein Leichtes. Aber es vergehen Stunden, bis man die optimale Soundkombination gefunden hat.

Die Folge: Die Archivierung im Studio wird immer komplexer; nicht dass nun Bänder geordnet werden müssen, heute sind es Daten. Hunderte von Disketten, selbstverständlich verschiedenster Formate, dazwischen ein Wust .von Tapes mit den Keyboard-Sounds. Wer da nicht Ordnung hält, ist nach einiger Zeit hoffnungslos verloren. Genau wie jemand, der aus 5000 verschiedenen DX-Sounds für einen Song den optimalen aussuchen will.

Trotzdem, das Midi-System lässt sich nicht mehr aufhalten. Und das ist auch gut so. Denn bei allen Nachteilen, die Vorteile überwiegen auf jeden Fall. Das Midi-Studio für Keyboarder ist mittlerweile keine Zukunftsvision mehr. Immer mehr Midi- Studios nehmen den Betrieb auf, und ein Tonstudio ohne gutes Midi-Equipment ist heute bereits veraltet. Doch wo viel Licht, da ist auch viel Schatten. So haben sich in London vor nun gut einem Jahr arbeitslose Studiomusiker in einem Verein „zur Verbannung des Computers aus den Tonstudios“ organisiert. „Der Computer macht uns arbeitslos“, singen sie im Chor. Er spiele nicht nur zu jeder Tages und Nachtzeit, sondern überdies exakter und liefere quasi als Abfallprodukt den perfekten Sound gleich mit. In Verbindung mit modernster Midi- und Sampling-Technik vertreibe er nicht nur die Musiker selbst, sondern den Tonmeister gleich mit. Ihr Protest richtet sich vor allem gegen Schlagzeugcomputer und solche Super-Systeme wie Fairlight und Synclavier.

Sicher ist die Angst etwas übertrieben. Natürliche Instrumente besitzen nach wie vor Klang- und Nuancierungsmöglichkeiten, die ein perfekter Musiker mit Spontaneität und Gefühl in Ausdruck verwandelt, von dem auch das beste Computermusiksystem nur träumen kann. Das wird sich im nächsten Jahrzehnt nicht ändern.

Feature von Richard Aicher, Dezember 1986