Als wahrer Midifreak sollte man jedoch etwas weiter denken. Hat man vor, später einen Midi-Sequenzer oder Computer in das System zu integrieren, empfiehlt sich auf jeden Fall gleich die Anschaffung einer richtigen Switch-Box. Man kann dann eine bestimmte Zahl von Outputs, an die die Expander angeschlossen werden, zwischen zwei oder manchmal auch mehr Inputs umschalten. In Inputs 1 kommt dann etwa das Masterkeyboard, in Input 2 der Sequenzer. Nun kann man jeden Expander wahlweise ohne umzustecken entweder über das Masterkeyboard oder den Sequenzer spielen.
Modelle und Möglichkeiten
Preislich recht günstig liegt die Casio Thru-Box TB-1. Sie besitzt auf der Rückseite zehn Midi-Normbuchsen (2x In, 8x Out). Auf der Oberseite befinden sich die acht Schiebeschalter für die Zuordnung der Expander auf die zwei Midi-Inputs. Der Preis beträgt zirka 149,- DM.
Interessant auch die 4 in 8 Bus Box von LEMI. Die vier Inputs lassen sich auf zwei separate Busse schalten, denen sich dann wiederum die 8 Outputs zuordnen lassen. Auch Steinberg Research wagt sich mit einer Midi Matrix ins Hardware-Geschäft. Zur Messe wurde die Midi Matrix 4/8 vorgestellt. Sie verteilt die vier Midi-Inputs auf acht Outs. Jeder Output verfügt über einen vierstufigen Drehschalter, mit dem sich der gewünschte Input einschalten lässt. Eine weitere Midi-Bus-Box von LEMI gestattet das Umschalten von neun Inputs auf neun Outs. Sie ist schon eher für Studioanwendungen gedacht. Der Preis beträgt zirka 1000,- DM.
Eine programmierbare Switch-Box in 19 Zoll Bauweise stellte Akai auf der Messe in Frankfurt vor. Sie heißt ME 30P, besitzt vier Inputs, die auf acht Outs umschaltbar sind. 15 verschiedene Zuordnungen lassen‘ sich abspeichern. Der Preis wird voraussichtlich um zirka 420,- DM liegen.
Eine weitere interessante programmierbare Midi-Switch-Box im 19 Zoll Format kommt von Yamaha. Sie nennt sich MJC-8 Midi Junction Controller und verteilt acht Ins auf acht Outs. 50 Memoryplätze stehen für die Abspeicherung der Patches zur Verfügung.
Bild: Das Akai ME30P Midi Programmable Patch Bay.
Solch programmierbare Switch-Boxes mit mehr als zwei Inputs sind für Studios oder absolute Midifreaks mit größeren Anlagen ein Segen. Sie schonen die Nerven und sparen Zeit. Vor allem, wenn verschiedene Keyboards als Master eingesetzt werden, oder noch weitere Eingabegeräte am System hängen sollen, etwa ein Drum to Midi-Interface oder ein Guitar to Midi-Interface. Ohne Switch-Box gäbe dies eine endlose Steckerei an der Rückseite von Keyboards.
Und das mit Steckern, die alles andere als professionell sind, die die unangenehme Eigenschaft besitzen, meist nicht so in die Buchse zu gehen, wie man zunächst denkt, sondern um 180 Grad verdreht. Leider konnten sich ja bis heute die Hersteller nicht einigen, in welche Richtung die Steckerführung der Midibuchsen weisen soll, nach oben, unten, links oder rechts. Sicher eine Kleinigkeit, aber für den Anwender kann so etwas sehr nervig sein.
Die programmierbare Akai Patch Bay verfügt über 15 verschiedene Memories. Das heißt, 15 verschiedene Midi-Patches lassen sich auf Knopfdruck abrufen. Selbstverständlich lassen sich die Patches auch über die Programmswitches des Masterkeyboards abrufen.
Was Switch-Boxen für absolut professionelle Studioanwendungen zu leisten vermögen, zeigt die programmierbare Midi- Switch-Box MSB-16/20 von J.L. Cooper Elektronics, USA. Sie stellt 16.Input-Ports und 20 Outputs zur Verfügung. Für die Patches sind 64 Memories vorhanden. Für jeden der 20 Outputs ist auf dem Frontpanel ein separates LED-Display vorhanden, das jeweils anzeigt, welcher Input auf diesen Output wirkt. Die Switch-Box lässt sich an einen Macintosh Computer anschließen. Auf diese Weise lassen sich die Patches übersichtlich am Bildschirm darstellen. So viel Technik kostet selbstverständlich seinen Preis. Die MSB-16/20 kostet in den USA zirka 1400$. Doch sicher werden Geräte dieser Art in großen Studios bald zur Standardausrüstung zählen.
Der Midi-Mix
Eine interessante Switch-Box, die ein etwas anderes Konzept verfolgt, gibt es von Hitec. Sie arbeitet zwar nur mit zwei Inputs und vier Outputs, kann dafür jedoch die an den beiden Inputs eintreffenden Daten richtiggehend mischen. Das klingt ganz einfach, ist aber in Wirklichkeit eine sehr komplexe Angelegenheit.
Dieser Hitec Midi-Mixer ist nicht ohne Grund mit einem eigenen Mikro-Prozessor ausgerüstet. Midi-Daten kann man nämlich nicht so einfach zusammenmischen wie analoge NF-Signale. Bei Midi-Daten handelt es sich ja um rein digitale Informationen, für die ganz andere Gesetze gelten. In Midi-Systemen darf man also niemals die allseits gefürchteten und doch beliebten Y-Kabel zum Zusammenmischen zweier Signalquellen verwenden. Das ergibt nur Fehlinformationen und bringt das ganze System höchstens zum Abstürzen.
Will man wirklich von zwei verschiedenen Keyboards aus gleichzeitig dieselben Expander ansteuern, oder einen Song in den Midi- Sequenzer einspielen, benötigt man auf jeden Fall einen Midi-Data-Mixer. Dieser Data-Mixer hat noch eine andere Funktion, die ab und zu wichtig sein kann. Es handelt sich dabei um den sogenannten Channel Transposer. Der kann eine Midi-Channelinformation transponieren. Angenommen, am Input kommt eine Melodieline auf dem Midi-Channel 1 an, und der Transposer steht auf 3, dann wird die 1er Channelinformation in eine 3er Channelinformation gewandelt. Auch das kann in größeren Systemen sehr nützlich sein. Etwa um einen auf einen bestimmten Receive Channel eingestellten Expander ganz alleine anzusprechen und so dessen eingestellten Sound für die Line separat zu testen. Man dreht dann schneller einfach am Channel Transpose-Knopf, als daß man das Masterkeyboard oder den Expander auf einen anderen Send- bzw. Receive Channel umprogrammiert.
Bild: Die 9×9 und die Midi Sync von LEMI.
Midi-Split
Das optimale Set eines Live-Midi-Keyboarders besteht aus einem Masterkeyboard und einer bestimmten Anzahl von Expandern bzw. weiteren Midi-Synthesizern. Bei echten Masterkeyboards handelt es sich um reine Klaviatureinheiten mit integrierter Steuerelektronik. Sie geben also keinen Sound ab, sondern lediglich Midi-Informationen.
Gute Masterkeyboards haben leider nur einen einzigen Nachteil, sie sind sehr teuer. Kein Wunder deshalb, dass bald versucht wurde, mit diversen elektronischen Tricks jeden x-beliebigen Synthesizer in ein Masterkeyboard umzufunktionieren. Und tatsächlich wurden kürzlich Geräte vorgestellt, die dies schaffen. Sie nennen sich Midi- Control-Computer oder Masterkeyboard- Controller. Zum Beispiel gestatten sie es, ein ganzes Set von gekoppelten Midi-Expandern und Synthesizern live über die Programmswitches als verwendete Keyboards zentral in ganz beliebige Programm kombinationen zu schalten. Stellt sich die berechtigte Frage, wieso braucht man einen Masterkeyboard- Controller, wenn sich die Expander doch auch ohne Controller vom Keyboard aus umschalten lassen. Das stimmt, sie lassen sich zwar umschalten, aber nicht unabhängig voneinander.
Es wird Zeit, etwas über Midi- Roulette zu sprechen. Dies ist eine besondere Form von Glücksspiel und ist in amerikanischen Studios momentan nicht mehr wegzudenken.
Hier das Rezept: Man nehme so viele Midi- Synthies wie gerade vorhanden, schließt sie alle an ein Masterkeyboard an und tippt wahlweise auf jedem eine Soundprogrammnummer ein. Und dann wird in die Tasten des Masterkeyboards gegriffen. Der Effekt: alle angeschlossenen Synthies klingen nun gleichzeitig und spielen parallel. Hat man einen Treffer gelandet, klingt der entstehende Gesamtsound super, hat man Pech, passt alles nicht zusammen.
Super klingende Kombinationen will man in Zukunft auf jeden Fall direkt über die Programmswitches des Masterkeyboards abrufen können. Das heißt, wählt man am Masterkeyboard etwa Programmnummer 1, sollen sämtliche Expander in die gewünschten Programme, etwa Expander 1 auf Programm 3, Expander 2 auf Programm 15 usw., geschaltet werden. Und genau das geht nicht mehr ohne Masterkeyboard-Controller. Ein weiteres Problem beim Umschalten mehrerer gekoppelter Expander vom Programmswitch eines Keyboards tritt auf, wenn die Voice Memories der angeschlossenen Instrumente verschieden strukturiert sind.
Voice Memories
Spätestens jetzt macht sich nämlich bemerkbar, dass das schönste Midi-System nichts nützt, wenn bestimmte hardwaremäßige Gegebenheiten der Instrumente nicht genormt sind. Und hierzu zählen leider die Voice Memories. Wählt man am Masterkeyboard Programm 4, so erscheinen an den angeschlossenen Instrumenten meist alle anderen Programmnummern, aber nicht Nr.4.
Und wenn das Keyboard, das man als Masterkeyboard einsetzt, weniger VoiceMemories besitzt als ein angeschlossener Expander, dann kann man die restlichen Programme des Expanders vom Masterkeyboard aus gar nicht ansprechen. Und wenn ein angeschlossener Expander oder auch ein Effektgerät weniger Voice Memories besitzt als das Masterkeyboard, dann macht es.nicht mehr sehr viel Sinn, die restlichen Programme des Masterkeyboards einzusetzen. Das Instrument mit der niedrigsten Zahl von VoiceMemories bestimmt also die maximal zur Verfügung stehenden, korrekt einander zugeordneten, System-
Bild: Midi Source Mixer+ Matrix von HITEC.
Voice Memories innerhalb eines Midi- Systems, das ohne Homecomputer und ohne Midi-Control-Computer arbeitet. Klar, verwendet man nur Instrumente eines Herstellers, funktioniert meist alles. Doch dies ist, vor allem für Keyboarder,
Bild: Eines der ersten Midi-Controller: das Dynacord MCC-1.
kompletter Unsinn, denn jeder Hersteller setzt heute andere Klangsynthesemethoden ein. FM klingt anders als PD, PD klingt anders als additiv, und additiv klingt anders als subtraktiv synthetisierte Klänge. Gerade die Kombination von Keyboards mit unterschiedlichen Klangsynthesemethoden macht aber das gewisse Etwas aus, bringt die wünschenswerte Klangvielfalt zu Tage. Komplett zum Bumerang artet die Nichtnormierung aus, wenn Effektgeräte sinnvoll in ein Midi-System integriert werden sollen, die nur über sehr wenige Speicherplätze verfügen. Manche Effektgeräte verfügen nur über 8 oder 16Memories und begrenzen damit die unabhängig zuordbaren System-Memories auf diese Zahl. Wichtig wäre deshalb vor allem für Effektgeräte die midimäßig implementierte, maximale Programmzahl von 128 auch einzusetzen. Sicher, das bedeutet dreistellige Anzeigen-LEDs einzubauen. Aber ist dies denn gar so teuer? Außerdem kann man das Problem auch durch eine sinnvolle Bank-Strukturierung lösen.
Dieselbe Problematik trifft voll auch für midigesteuerte Mischpulte zu, die auf der diesjährigen Frankfurter Musikmesse erstmals ihre Schatten voraus warfen. So ist der speicherbare 8 in 2 Mixer von Akai ideal geeignet, um ein midigekoppeltes Set von Expandern im Livebetrieb automatisch abzumischen. Der Mixer verfügt über ein internes Memory, in dem sich (und hier liegt wieder Midi-Hund begraben) leider nur 100 Programme abspeichern lassen. Verwendet man ein richtiges Masterkeyboard wie das Roland MKB-1000 oder Yamaha KX-88 zur Steuerung, gehen also 28 System-Memories verloren, oder man belegt sie nochmals mit den Mixes Nr. 1- 28.
Control-Computer und Masterkeyboard- Controller machen Multikeyboarder frei von diesen Problemen. Eines der ersten Geräte diese Art stammt von Dynacord. Es nennt sich MCC-1. Es verfügt über vier voneinander unabhängige Midi Outs und übernimmt das Umschalten der daran angeschlossenen Expander auf die gewünschten Programme. Es verfügt über vier getrennte Kanäle. Für jeden Speicherplatz des MCC-1 lässt sich nun für jeden Kanal ein Midi- Channel und die zugehörige Programmnummer des entsprechenden Expanders angeben. Leider verfügt der MCC-1 selbst nur über 99 Programme. Immerhin lassen sich damit nun 99 Programme des Masterkeyboards mit beliebigen Programmkombinationen der angeschlossenen Expander belegen. Das Masterkeyboard schaltet den MCC-1, dieser wiederum die Expander. Selbstverständlich kann man den MCC-1 auch direkt über die eigenen Memory- Switches umschalten.
Auf der diesjährigen Musikmesse wurde nun erstmals eine neue Generation von Control-Computern mit weitergehenden Features vorgestellt. Hierbei handelt es sich um besagte Masterkeyboard-Controller. Sie übernehmen ebenfalls Programmwechselaufgaben, leisten jedoch noch einiges mehr. Im Prinzip machen sie aus jedem x-beliebigen Midikeyboard ein Super-Masterkeyboard.
Selbstverständlich können sie die Beschaffenheit der Tastatur nicht ändern, Plastiktasten werden auch nach Einsatz eines Masterkeyboard-Controllers nicht zu gewichteten Holztasten, aber das ist auch schon alles. Denn in allen anderen Steuerfunktionen dürfte das mit einem Masterkeyboard-Controller aufgepuschte Keyboard dann so ziemlich jedes momentan erhältliche Masterkeyboard übertreffen.
Wie Masterkeyboard-Controller arbeiten, welche es gibt und vieles mehr im nächsten Teil.
Richard Aicher, SoundCheck, April 1986